Wunderschön und knüppelhart: Der Geschmack von Rost und Knochen

Vorab gesagt, Der Geschmack von Rost und Knochen prasselt mit einer emotionalen Härte auf einen nieder, dass man danach kaum weiß, wie einem geschieht. Im Film dreht sich vieles darum zu spüren, dass man lebendig ist und als ich nach dem Kino in Berlins eisige Kälte schlüpfte, kam mir die physische Erfahrung des pulsierenden Bluts in meinen Adern gerade recht.

Der mittellose Ali (Matthias Schoenaerts) reist mit seinem Sohn Sam zu seiner Schwester Anna an die Cote d’Azur. Bei der Kassiererin und ihrem Mann finden die beiden Unterschlupf, aber alle Beziehungen in diesem Haushalt sind nicht besonders herzlich. So wird Ali von seiner Schwester zur Begrüßung nicht umarmt und Sam von seinem Vater gern mal kalt abgeduscht, geschlagen oder in der Schule vergessen. Diese Welt ist trist; von Gewalt, schnellem Sex und dem Kampf ums Überleben geprägt.

Anders lebt Stéphanie (Marion Cotillard). Sie trainiert Wale in einem Aquapark und leitet die Show der Orkas für neugierigen Touristen.

Die Schöne und der Grobschlächtige treffen sich als Security Ali Stéph aus einer Rangelei in der Disco holt. Trotz oder gerade weil es Stéphs Freund verärgert schreibt er ihr seine Nummer auf. Er hört aber erst Monate später wieder von Ihr. In der Zwischenzeit hat Stéph bei einem Unfall beide Unterschenkel verloren, ist in eine schwere Depression gefallen und steht hoffnungslos und allein in der Welt. Langsam schafft es Ali sie zurück ins Leben zu holen und so verliebt sich die feinfühlige Frau in den groben Mann – der inzwischen mit illegalen Schaukämpfen seinen Verdienst aufbessert.

Die Liebesgeschichte ist subtil eingewebt, viel mehr zeigt Regisseur Jacques Audiard die unterschiedlichen Lebenswelten der beiden Verzweifelten Kämpfer. Stéphanie erkämpft sich Schritt für Schritt die Lust und den Spass am Leben zurück und Ali scheint durch Sie die schönen Seiten erst zu entdecken.

Die verzweifelten Charaktere werden schonungslos präsentiert, der Film ist bitter, klar und hart, zeigt aber gerade hierdurch auch die weichen, warmen und liebevollen Momente in unwiderstehlichen Bildern die tief berühren. Nach seinem Erfolg mit Ein Prophet hat Jacques Audiard mit „Der Geschmack von Rost und Knochen“ erneut sein Talent zur Darstellung der Realität und detaillierten Beobachtung bewiesen. Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard und der Belgier Matthias Schoenaerts spielen wunderbar ehrlich und durchlässig. Auch der Soundtrack steuert seinen Teil bei, Bon Iver lassen am Ende kaum ein auge trocken.

Der Geschmack von Rost und Knochen feiert das Wirrwarr Leben, indem jeder für sein Glück selbst verantwortlich bleibt und das ist ein Fest für die Kinoleinwand.

Read this article in English.

<a href="https://www.iheartberlin.de/de/author/lia/" target="_self">Lia</a>

Lia

Author