East Side Gallery Dilemma: Erhalt oder Nieder?

Foto: GivingNot

In den letzten Wochen hat mich die Debatte um die East Side Gallery mit widersprüchlichen Gedanken bombardiert und meine Vorstellung der Deutschen Nation ziemlich durcheinander gebracht. Berliner protestieren auf der Straße gegen Kapitalismus und kämpfen um die Erhaltung von den Resten einer dreißig jährige Geschichte von Trennung, Gewalt und Unterdrückung. Ist es nicht paradox? Jene Menschen, die im Jahr 1989 gekämpft haben für den Abriss der Berliner Mauer, kämpfen nun darum sie aufrecht zu erhalten. Was einmal ein Sieg war, ist jetzt eine internationale Tragödie geworden.

Der Grund für diese Wut liegt darin, das mit dem Abriss Platz für einen majestätischen Bau luxuriöser Eigentumswohnungen geschaffen werden soll, die von reichen Männern in Hemd und Krawatte entworfen wurden. Statt die Gültigkeit des Grunds zu hinterfragen und für den Erhalt der deutschen Kultur zu demonstrieren, quäle ich mich mit dieser plötzlichen Auseinandersetzung von kulturellen Werten und Erinnerung. Ohne dabei die historische Bedeutung der East Side Gallery und seine künstlerischer Ader zu verneinen, frage ich mich: Wie wichtig ist Erinnerung in unserer Gesellschaft?

Die Frage eröffnet die komplexe Dynamik zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Erinnerung und Vergessen, zwischen Trauma und Nostalgie. Können wir wirklich mit unserer Geschichte umgehen? Ich hatte schon immer den Eindruck, dass unsere deutsche Kultur oft die Ambivalenzen zwischen Stolz und Schuld verwischt, Erinnerung überschätzt, und die Verwendung dieser zu einer Strategie wird, um die Schrecken unserer Geschichte zu ertragen. Wenn einerseits die Mauer den siegreichen Übergang von Druck auf Freiheit symbolisiert, erinnert sie uns jedoch auf der anderen Seite an die Brutalitäten des 20. Jahrhunderts und wie Deutschland daran teilgenommen hat. Können wir ohne Scham mit dieser Erinnerung leben?

Diesen emotionalen Konflikt zu verwerfen und alle Spuren zu beseitigen klingt ideal, aber warum tun wir es nicht? Warum wollen wir weiterhin die East Side Gallery sehen? Wie können wir uns entscheiden, was unsere Kultur erinnern oder vergessen soll? Ich glaube an den starken symbolischen Wert der Mauer, die Gefühle und Emotionen verkörpert, aber es ist auch an der  Zeit, weiter zu marschieren. Der Luxus-Wohnblock zeigt deutlich, wie unsere Stadt seine Identität langsam in einen Modernität-Diskurs verschiebt, basierend auf Kommerzialisierung und Wirtschaftswachstum, weit weg von unserer Vergangenheit. Unser Bild von Berlin als Hauptstadt der niedrigen Mieten, offenen Räume und Gegenkulturen löst sich langsam auf. Wollen wir die modernen Fortschritte verhindern? Oder wollen wir uns im Wettbewerb mit anderen internationalen Städten messen?

Dies beinhaltet Opfer – ein Risiko, dass wir scheinbar nicht bereit sind zu tragen. Vielleicht sollten wir einfach unterstreichen, dass die East Side Gallery Teil unserer Geschichte ist, dass sie uns gehört und dass Kultur nicht mit einem Preis versehen werden kann. Aber noch einmal, ist es wirklich das, was wir wollen?

Was denkt ihr darüber? Sollte die East Side Gallery intakt bleiben, wie sie ist, oder ist es in Ordnung, wenn Teile davon weichen, um neuen Entwicklungen Raum zu geben? Teilt eure Gedanken mit uns.

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<a href="https://www.iheartberlin.de/de/author/devid/" target="_self">Devid</a>

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