Take This Waltz – Alte oder neue Liebe?

Eine lange Beziehung führt unweigerlich zu großer Vertraut- und Verbundenheit sowie  vielen gemeinsamen Erinnerungen. Oft wird aus anfänglicher Aufregung aber auch eine gewisse Routine, Selbstverständlichkeit oder gar Langeweile. Nicht selten wird einem diese Veränderung erst bewusst, wenn ein neuer potenzieller Partner am Horizont auftaucht und die altbekannten Schmetterlinge auf einmal wieder flattern. Diese Gefühle auszuleben ist dann meist tabu und es stellt sich die schier unlösbare Frage: Wer ist derjenige mit dem ich von nun an zusammen sein möchte? Will ich Aufregung, Prickeln und Leidenschaft oder will ich Vertrauen und Sicherheit?

Genau diese Fragen stellt sich Margot in Take this Waltz.

Margot (Michelle Williams) ist 28 und seit 5 Jahren mit Lou (Seth Rogen) verheiratet. Das Paar scheint glücklich, sie sind vertraut, verstehen sich oft wortlos und streiten sich darum wer wen gerade mehr liebt. Dann aber trifft Margot Daniel (Luke Kirby). Der Künstler weckt ein eindeutiges Begehren in Margot und plötzlich stellt Margot ihre Ehe in Frage. Eigentlich ist sie glücklich, aber jenes Kribbeln das Daniel bei ihr auslöst spürt sie bei ihrem eigenen Ehemann nicht mehr. Da Daniel ihr Nachbar ist, kann sie ihm nicht aus dem Weg gehen und der junge Mann macht keinen Hehl aus seinem Interesse an Margot. So zieht sie sich erst in den Kokon ihrer Ehe zurück um sich dann doch heimlich erst zum Kaffee trinken und dann zum Baden mit Daniel zu treffen. Je mehr sie sich auf Daniel einlässt desto mehr fällt ihre Beziehung ineinander zusammen. Immer wieder stellt sie sich aber auch die Frage, wer ist dieser Daniel überhaupt? Kann man eine jahrelange Ehe aufgeben für ein Gefühl das wahrscheinlich die nächsten zwei Jahre nicht übersteht? Und wird eine Beziehung mit Daniel nicht auch irgendwann langweilig?

Diese immer wiederkehrenden Beziehungsfragen verhandelt Regisseurin Sarah Polley in Take this Waltz auf wunderbar subtile Weise. Sie verlässt sich in ihrer Inszenierung ganz auf ihre Schauspieler in deren Gesichtern sich Welten auftun, die in Bildern nur schwer zu beschreiben sind. Zweifel und Hoffnung, Liebe und Verliebtheit, Vertrauen und Angst tragen in Michelle Williams Gesicht Kämpfe aus. Sie spielt diese Margot wunderbar unaufgeregt. Blicken, Gesten und ihr Ausdruck lassen die Zuschauer teilhaben an Margots zunehmender Zerrissenheit.

Wunderbar ist die späte Kamerafahrt, deren Inhalt ich jetzt noch nicht wiedergeben darf, um nicht zu viel zu verraten. Aber die dahin ziehenden Jahre wurden selten schöner wiedergegeben als hier. Überhaupt weisen viele von Polleys Szenen auf Margots Zukunft hin und treiben so die Geschichte über das Ende vom Film weiter.

Ein wundervoller Film, der viele Fragen stellt und am Ende doch keine einzige beantwortet. Denn genau dies ist wohl die Moral von solch großen Fragen: Es gibt keine anwendbare, keine richtige oder falsche Antwort. Es gibt nur einen Bauch oder Kopf auf den man hören kann oder auch nicht. Von dieser Moral kann sich Hollywood mit seinen festgefahrenen Mustern eine dicke Scheibe anschneiden.

Take This Waltz (R: Sarah Polley, USA 2011)

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