Moulins: Ein perfekter Tag in der französischen Provinz

Die französische Provinz ist bekanntlich ein beliebtestes Reiseziel. Jedes Jahr werden die Provence, die Côte d’Azur und die Normandie von tausenden von Touristen besucht. Ich habe dieses Mal die Auvergne erkundet und drei Tage in Moulins verbracht. Die Stadt wird weder im Lonely Planet noch im Rough Guide erwähnt – was ja immer ein positives Zeichen ist, denn das bedeutet, dass Moulins noch immer ein Geheimtipp ist. Und tatsächlich hat diese charmate kleine Stadt viel zu bieten: ein seit 1899 unverändertes Jugendstil-Restaurant, das Nationale Kostümmuseum von Frankreich, die 60 Jahre verschlossen gebliebene Villa eines exzentrischen Millionärs, einen Spa in einer ehemaligen Kapelle sowie phänomenale Haute Cuisine. Mehr nach dem Klick.

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France Moulins

Moulins liegt ziemlich genau in der Mitte von Frankreich, von Paris oder Lyon dauert eine Zugfahrt etwa zweieinhalb Stunden. Wenn man also auf dieser Route unterwegs ist, bietet sich Moulins für einen Zwischenstopp an.

Moulins France2

Moulins-sur-Allier

Moulins City

Auvergne Moulins

Hier ist der perfekte Zeitplan für einen Tag in Moulins:

1. Mittagspause in Jugendstil-Ambiente

Wer auf spektatkulären und pompösen Jugendstil steht, der ist im Grand Café genau richtig. Das Restaurant wurde im Jahr 1899 eröffnet, die Einrichtung und Gestaltung sind seitdem unverändert geblieben. In den Anfangsjahren war das Grand Café noch ein Kabarett. Coco Chanel, die als junge Frau sechs Jahre in Moulins gelebt hat, zählte zu den Stammgästen; es ist sehr wahrscheinlich, dass sie auf der Bühne des Restaurants sogar als Sängerin auftrat.

Grand Café Moulins

Moulins Grand Café

2. Die besten Kostüme Frankreichs bewundern

Das Nationale Kostümmuseum (Centre national du costume de scène) ist ein Ort der Superlative. Denn die mehr als 10.000 Kostüme umfassende Kollektion stammt aus drei Quellen: vom besten französischen Opernhaus (Opéra national de Paris), vom wichtigsten französischen Theater (Comédie-Française) und von der größten französischen Bibliothek (Bibliothèque nationale de France). Normalerweise würde sich so ein Museum selbstverständlich in Paris befinden. Doch aufgrund der Bemühungen der Regierung, das Land zu dezentralisieren, kam das Museum in ein altes Militärgebäude nach Moulins. Die Sammlung wird in regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen präsentiert. Letztes Jahr wurden Entwürfe von Yves Saint Laurent gezeigt, wir haben eine Ausstellung über Zirkuskostüme gesehen. Informationen über das kommende Programm gibt es auf der Website.

photo: CNCS Pascal François

3. Zeitreise ins Jahr 1910

Als Millionär Louis Mantin im Jahr 1910 starb, vermachte er seine Kunstsammlung, seine Jugendstilvilla mit allem, was darin war, an die Stadt Moulins. In seinem Testament gab es nur eine Bedingung: Sein Vermächtnis sollte 100 Jahre nach seinem Tod der Öffentlichkeit zugänglich sein, andernfalls würde das Erbe doch seiner Familie zufallen. Für eine ziemlich lange Zeit sah es so aus, als ob die Mantins doch noch alles bekommen würden. Denn die Villa war für mehr als 60 Jahre verschlossen. Doch dann hat man es doch noch geschafft: Im Jahr 2010, also genau 100 Jahre später, wurde das Maison Mantin eröffnet.

photo: Anne de Beaujeu

Maison Mantin

Alles wurde genau so renoviert, wie es im Jahr 1910 gewesen ist. Daher hat man hier wirklich das Gefühl, auf eine Zeitreise zu gehen. Und dabei handelt es sich keineswegs ein gewöhnliches Haus aus jener Zeit. Denn Louis Mantin hatte einen wirklich seltsamen und exkzentrischen Geschmack. Viele der Einrichtungsgegenstände und Kunstwerke wurden extra für ihn nach seinen Ideen entworfen. Auf diese Weise hat er sogar einen eigenen Stil geschaffen – einen nicht immer geschmackvollen und reichlich eklektischen Stil, bei dem Elemente aus verschiedenen Kulturen und Zeitepochen wild durcheinandergewirbelt werden. Man kann Einflüsse aus so ziemlich jeder Kunstepoche erkennen. Und oft glaubt man, sich in einem Roman von Jules Verne zu befinden.

Museum Mantin

House Mantin

Museum Mantin France

Louis Mantin hatte eine besondere Vorliebe für seltene und teure Materialien; insgesamt muss er wohl ein Vermögen für seine Villa und deren Einrichtung ausgegeben haben. Es gibt mit Knochen dekorierte Stühle, das Schlafzimmer ist von oben bis unten mit vergoldetem Leder tapeziert. Außerdem hat die Villa eine Geheimtür und ein Kuriositätenkabinett, in dem weitere makabre, bizarre und obskure Objekte zu finden sind, die Mantin auf der ganzen Welt gesammelt hat (darunter auch mehrere deutsche Bierkrüge).

4. Wellness in einer Kapelle

Direkt neben dem Maison Mantin hat das Hôtel de Paris eine ehemalige Kapelle in einen Spa verwandelt. Wo früher Beichstühle standen, kann man jetzt seine Sünden in einem Hamam ausschwitzen. Und wenn man im Whirlpool liegt, blickt man auf ein ehemaliges Kirchenfenster. Der Spa ist winzig, also empfiehlt sich eine Reservierung.

Großartige Haute Cuisine zu bezahlbaren Preisen

Die größte Überraschung in Moulins war für mich das Restaurant 9/7. Der Koch verwendet ausschließlich frische, lokale Produkte vom Markt. Was er daraus macht, ist absolut phänomenal. Rein optisch sehen die Gerichte schon wie Kunstwerke aus – und genauso schmecken sie denn auch: alles ist perfekt komponiert, alles fügt sich harmonisch ineinaner. Es gibt sogar ein vegetarisches Menü – was im fleischverrückten Frankreich eine ziemliche Seltenheit ist. Das Gute daran: Ein 3-Gänge-Menü ist für weniger als 30 Euro zu haben. Für dieselbe Qualität zahlt man in Paris das doppelte oder sogar dreifache. Um es kurz zu machen: Das Restaurant 9/7 ist an sich schon Grund genau, nach Moulins zu fahren.

Unterkunft

La Maison XVIIIe Moulins

Wir haben im La Maison XVIIIe gewohnt, einem Bed-and-Breakfast, das sich in einem Haus aus dem Jahr 1790 befindet. Insgesamt gibt es drei Zimmer, die auf geschmackvolle Weise renoviert wurden. Eine wunderbare Unterkunft für einen sehr schönen Ausflug nach Moulins.

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