Haruki Murakami neu übersetzt

Eines der besten Bücher von Haruki Murakami lag in Deutschland bislang nur in einer verstümmelten Fassung vor: Südlich der Grenze, westlich der Sonne erschien im Jahr 2000 unter dem Titel Gefährliche Geliebte in einer Übersetzung aus dem Englischen – nicht also aus dem japanischen Original. Wer sich nur ein wenig mit Übersetzungen auskennt, weiß, wie absurd das ist – zumal Murakami ja nun wirklich kein unwichtiger Autor ist. Nun wurde das Buch endlich auch aus dem Japanischen übertragen – und das Warten hat sich gelohnt.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Ich-Erzähler Hajime hat mit Ende 30 eigentlich alles erreicht. Er führt eine glückliche Ehe, hat zwei Kinder, er ist vermögend und in seinem Beruf sehr erfolgreich. Doch dann trifft er zufällig seine Jugendliebe Shimamoto wieder. Und diese Begegnung bringt sein ganzes Leben ins Wanken.

Midlife Crisis und Jugendträume, Liebe und Sex

Man kann die Erzählung als die Schilderung einer Midlife-Crisis verstehen, zudem geht es auch um andere altbekannte Themen: um Beziehungsalltag und Romantik, Ehe und Affäre, Treue und Betrug, Liebe und Sex. Es gibt viele Bücher, die diese Themen behandeln, und es gibt viele Bücher, die eine ähnliche Geschichte erzählen. Doch was Murakami daraus macht, ist phänomenal. Es ist kein Zufall, dass dem japanischen Autor gerade mit diesem Buch sein internationaler Durchbruch gelang.

Allein die Schilderung, wie sich die beiden Ehepartner voneinander entfremden, ist von solcher emotionaler Intensität, dass man diesen Roman lieber nicht lesen sollte, wenn man sich gerade in einer Beziehungskrise befindet. Im Gegensatz dazu gibt es dann aber auch die Begegnungen zwischen Haijme und seiner Jugendliebe, die mit unglaublicher Zartheit geschildert werden. Südlich der Grenze, westlich der Sonne ist ein gleichermaßen schöner wie trauriger Liebesroman. Wie viele Bücher Murakamis entwickelt auch dieses eine Sogkraft, der man sich nicht entziehen kann. Die Sogkraft besteht hier gerade darin, dass sich die erotische Spannung zwischen den Protagonisten immer mehr steigert – und schließlich einen grandiosen Höhepunkt findet, in einer der schönsten Liebesszenen der zeitgenössischen Literatur.

Streit im Literarischen Quartett

Die explizite Darstellung von Sexualität in Südlich der Grenze, westlich der Sonne hat schon viele Kontroversen hervorgerufen. Als das Buch im Jahr 2000 in der Übersetzung aus dem Englischen erschien, kam es im Literarischen Quartett zu einer heftigen Auseinandersetzung. Marcel Reich-Ranicki warf Sigrid Löffler Prüderie und vieles Andere vor, die beiden gerieten so heftig aneinander, dass dieser Streit schließlich zur Auflösung der äußerst beliebten Sendung führte.

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