Interview: Musikhören mit Eric Pfeil

Eric Pfeil war der Mann hinter legendären deutschen Musikfernsehformaten wie „Fast Forward“ mit Charlotte Roche oder der „Sarah Kuttner Show“. Irgendwann hatte er keine Lust mehr aufs Fernsehen und wechselte er zu FAZ, wo er ein Pop-Tagebuch schrieb. 2010 veröffentlichte er bei Kiepenheuer & Witsch sein Buch Komm, wir werfen ein Schlagzeug in den Schnee. Jetzt macht er wieder eine Wende – Eric Pfeil hat sein erstes Album Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht aufgenommen. Die Musik: eine Kombination aus italienischem Pop, Jonathan Richman, Kevin Ayers und Lloyd Cole. Eric Pfeil schreibt Lieder, “in denen sich Lucio Battisti und die Go-Betweens mit dem folkig gelaunten Tom Petty zum Autofahren verabreden”, wie es im Pressetext heißt.

In unserem Interview mit Eric Pfeil haben wir über Musik von Flaming Lips, Bruce Springsteen, Ja, Panik und Raffaella Carra gesprochen.

Flaming Lips Ego Trpping at the gates of hell

Wayne Coyne hat mal zu mir gesagt: “Eric, wenn jetzt gleich ein intergalaktischer Schwertkämpfer hereinkäme und Dir den Arm abschlüge, wäre das zwar sehr schade für Dich, aber ich hätte wahrscheinlich einen tollen neuen Song”. Der Satz erklärt so einiges darüber, was an den Flaming Lips so großartig ist.

Die Band war in meinem Leben zu jedem Zeitpunkt dabei. Wenn man mich nachts aufweckte, mir eine Pistole an den Kopf hielte und nach meiner Lieblingsband fragte, würde ich immer “The Flaming Lips” antworten. Inzwischen höre ich zwar andere Sachen weitaus lieber, aber keine andere Band hat mich so lange begleitet wie diese komischen Typen.

Ich habe die Band in den frühen Neunzigern entdeckt, da waren sie der perfekte, weil Song-orientierte und gleichzeitig monströs krachige Begleiter zu Leichtsinn und Unfug. Später wurden sie ja so etwas wie die lebensweiseste Psychedelic-Band der Welt. Was auch ein Karriere-Entwurf ist.

Neben der Empathie, dem Sound, den tollen Songs und der Figur Wayne Coyne gibt es noch einen weiteren Grund, warum ich die Band so mag: Steven Drozds Schlagzeug. Bei keiner anderen Band klingt das Schlagzeug so gut wie auf den Flaming Lips-Platten zwischen 1993 und 1999. Ich will das Flaming-Lips-Schlagzeug der Jahre 1993-99 heiraten. Das Stück hier ist aber auch gut.

Bruce Springsteen Hungry Heart

Hm, das ist die BAP-Version. Ich rate zu einer Live-Aufnahme, aber gut. Zum Song: Früher war mir Bruce Springsteen immer unangenehm. Ich habe schlicht nicht verstanden, was das Besondere an dieser Musik sein soll. Wobei: Stimmt nicht. 1984, als Dancing In The Dark, I’m On Fire oder Glory Days Hits waren, habe ich ihn geliebt. Ich bin mit meinen Eltern in Urlaub gefahren und wollte nichts anderes hören als das Born In The USA-Album und Little Creatures von den Talking Heads. Dann entdeckte ich Leute wie die Go-Betweens, Lloyd Cole, die Smiths und Robyn Hitchcock und Bruce Springsteen wurde mir zu plump.

Über 20 Jahre später bin ich dann auf mein erstes Springsteen-Konzert gegangen und habe geheult. Ich habe tatsächlich erst heute halbwegs kapiert, was dieser Typ – und scheinbar nur dieser Typ – kann. Bruce Springsteen verkauft – schon wieder das Wort: – Empathie mit den Werkzeugen des Showgeschäfts. Wenn man drüber nachdenkt, könnte man zu der Meinung gelangen: Das ist es, wozu dieses altmodische Ding namens Rock’n’Roll mal erfunden wurde. Eines meiner Lieblingsstücke heißt I’ll Work For Your Love: Sogar die Liebe ist bei ihm Gegenstand von Arbeit und das sollte sie wohl auch sein. Wenn Bruce Springsteen gut ist, dann hat er Kontakt zu etwas, das ganz tief in die menschliche Seele geritzt ist. Ich meine: “Everbody’s got a hungry heart …”: Das ist vielleicht die Essenz.

Meine Tochter ist zehn, im letzten Urlaub hat sie Born In The USA entdeckt, es ist einfach so passiert. SIe wollte alles wissen über diese gleichzeitig naive und clevere Musik. Sie hat alle Texte studiert, hat sich gefragt, wer Bobby Jean ist und was genau da in Downbound Train passiert. Ich glaube daran, dass Musik, die man mit zehn Jahren entdeckt, nicht verkehrt sein kann. Mit acht, mit neun ist man unsicher. Mit 10 aber ahnt man etwas von dem, was eigentlich los ist. Hungry Heart hat Bruce Springsteen ja ursprünglich für die Ramones geschrieben, das ist vermutlich nicht unwichtig. Heute singt er den Song ja nicht mehr selbst, sondern das Publikum. Volksmusik im besten Sinne.

Ja, Panik Like A Hurricane

Die letzte junge deutschsprachige Band, die mich so richtig gekriegt hat. Ich mag es sehr, wie hier mit Sprache verschwenderisch rumgekleckert wird. Aber mir kann man ja alles andrehen, wo Bob Dylan rauszuhören ist, was im vorliegenden Fall freilich ganz arg der Fall ist. Das Stück hier kannte ich gar nicht. Gefällt mir nicht so gut wie spätere Sachen, ist aber auch schon angenehm unterdurchblutet und schlaff. Wobei mir ein bißchen zu viele blöde Frisuren drin vorkommen. Trotzdem: tolle Band.

Raffaella Carra & Mario Del Monaco Felicita Tà Tà

Erwischt! Das ist natürlich genau meine Welt. Es ist zwar nicht Battisti oder Celentano oder Modugno, aber immerhin die Carra. Die hat ja später die italienische Originalversion von Tanze Samba mit mir gesungen, was vor allem die jüngeren Leserinnen und alle Fans von Chvrches oder Deerhoof interessieren dürfte.

Der mir bislang nicht bekannte Mario de Monaco (der auf deutsch ja Mario aus München heißen würde) drückt ordentlich auf die Belcanto-Tube, das finde ich gut und richtig. Es ist nicht das beste Beispiel, aber ein Anlass um mal wieder laut in die Welt hinauszurufen: Die italienische Populärkultur der Sechziger und Siebziger ist ein nie versiegender Freudenquell, an dem zu laben ich jedem nur raten kann, der nicht vor seiner Zeit verwelken möchte.

Ich danke meinen Eltern, daß sie, als ich 10, 11, 12 war, sooft mit mir in den Urlaub in dieses seltsame Land gefahren sind. Oh, und in dem Fernsehstudio, das man hier sieht, würde ich gerne mal auftreten. Vielleicht kaufe ich das Studio auch einfach und nehme es mit auf Tournee. Mal soll ja nie zu klein denken…

Eric Pfeil Süden

Die SIngleauskopplung aus meinem Album Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht. Regie hat mein Freund Alfred Jansen geführt, der auch in meiner Band Bass spielt. Ich wollte erst in irgendwelchen Kölner Pizzerien drehen, aber dann dachte ich mir: “Komm, du kennst Dich in Rom besser aus als in Deinem Elternhaus, außerdem passiert da all das, worum es in dem Song geht”. Also habe ich uns zwei Flugtickets bezahlt.

Wir haben das an zwei Tagen runtergedreht, wobei wir schon morgens um zehn einen beträchtlichen Gin-Tonic-Pegel hatten, was mir durchaus anzusehen ist. Das Schöne in Rom: Niemand fragt nach einer Drehgenehmigung. In Köln hätten wir das niemals machen können, ohne uns vorher tausend Bescheinigungen besorgt zu haben. In Italien bemühen sich die Polizisten sogar noch darum, daß sie auch ja im Bild sind (man beachte hierzu das Polizeiauto vor dem Vatikan).

Mitten im Dreh liefen wir an einem Hochzeitspaar vorbei. Als sie sahen, dass ich da in eine Kamera playbackte, fragten sie mich, ob ich in ihrem Hochzeitsvideo kurz That’s Amore singen könnte. Ich bin also jetzt in irgendeinem italienischen Hochzeitsvideo zu sehen, wie ich vor dem Vatikan mit verstimmter Gitarre That’s Amore singe. Somit habe ich eigentlich alles im Leben erreicht! Dafür sind die beiden im Gegenzug in meinem Musikvideo.

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