Shaping our City: Nicolas Defawe von der Urban Spree

Nicolas Defawe

Nach unseren Interviews mit den Berlin City Shapern PANSY vom Yo! Sissy Festival und Yasha Young vom Urban Nation Museum kommen wir heute nun zum dritten und finalen Teil unserer Serie, die von Heineken’s Shape Your City Kampagne inspiriert wurde. Während die Gewinner des Cities Projects bereits daran arbeiten ihr Barkonzept im schönen Köln zu verwirklichen, haben wir uns mit unserem neuesten Interviewpartner Nicolas Defawe unterhalten. Wenn euch sein Name vielleicht kein Begriff ist, solltet ihr zumindest ein paar der Locations kennen, in die er involviert ist, und zwar das HBC und +-0, welche beide schon in Berlin’s Nightlife-Himmel sind, sowie die Urban Spree Galerie auf dem RAW Gelände, welche erfreulicherweise noch existiert.

Nico ist einer dieser Menschen der alternativen, kulturellen Szene Berlins, mit dem wir über die Jahre mehrmals zusammengearbeitet haben für unsere iHeartBerlin und Designer Scouts Events. Und es war uns immer wieder ein Vergnügen, denn selten trifft man jemanden mit einer so positiven und enthusiastischen Einstellung wie ihn. Nico is einfach ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann. In unserem Interview mit ihm und seinem Urban Spree Partner Pascal Feucher schwelgen wir etwas in Nostalgie für alte, aber geliebte Orte, und werfen auch einen Blick in die Zukunft…

HBC in 2008, photo: iHeartBerlin

Nico, als wir uns das erste Mal getroffen haben, warst du für das Programm des schwer vermissten HBCs zuständig. Wie bist du damals dazu gekommen und was war eigentlich der Plan für dieses wilde Projekt?

Nicolas Defawe: Haha, ich weine diesem Ort keineswegs nach, ich bin nur erleichtert! Das war einfach ein sinkendes Boot nach einer Weile. Nach der ersten großen Eröffnungsparty im HBC (einer Gruppenausstellung) fragte mich damals Lucy Lux (die Frau von Max Dax) ob ich nicht die nächste Party veranstalten wolle, denn sie wusste, dass ich sowas in Paris gemacht hatte zuvor. Ich fand den Raum sehr beeindruckend, also musste ich nicht lange nachdenken um zuzusagen.

Wir hatten nicht wirklich einen Plan. Das HBC war kaum legal. Es waren so viele Leute involviert und in ständiger Entwicklung. Einige kreative Köpfe wie Lucy Lux, Stephan Rothfuß, Nomad und viele mehr waren da mittendrin im Prozess es zu dem zu machen, was es am Ende wurde – das war wahrscheinlich die beste Zeit für das HBC.

Wir hatten irgendwann die Möglichkeit einen richtigen Vertrag zu bekommen um den Raum aufrecht zu erhalten, deswegen haben wir da auch eine neue Bar und einen Club in den Kinoraum gebaut. Danach ging es mit noch mehr Veränderungen weiter. Wir haben zum Beispiel ein Restaurant eröffnet, zum einen weil wir wegen dem Club mit den Behörden Schwierigkeiten hatten, zum anderen weil wir für weitere Investitionen mehr Einkünfte generieren mussten. Ein böser Kreislauf!

Aber die Hauptidee war es immer eine Vereinigung von Genres zu erschaffen, die typische Grenzen aufbrach: Zeitgenössische Kunst, queere Partys, klassische Musik, ein schickes Restaurant… das HBC hat all dies als einen perfelten Mix dargestellt!

HBC in 2009, photo: iHeartBerlin

In Berlin hat es immer diese Zwischenräume gegeben, die als Nährboden für kreative Ideen und künstlerischen Ausdruck dienten. Es ist wie eine Gegenkultur zu klassischen, staatlich finanzierten Kulturstätten wie Theater und Konzerthäuser. Am Ende waren es aber die alternativeren Projekte die Berlin international bekannt gemacht haben. Aus deiner Perspektive, wie ist da aktuell die Balance dieser zwei Welten und wie wird das in der Zukunft aussehen?

ND: Das ist eine ziemlich wichtige Angelegenheit! Eins der Ziele meines neuen Projektes, der Urban Spree Galerie, ist es eine Verbindung zu anderen europäischen Orten herzustellen. Wir haben zwei spannende Events diesen Sommer in Paris und Brüssel veranstaltet, die uns die Gelegenheit gaben mal zu sehen, wie es anderswo funktioniert. Mit dieser Erfahrung ist uns klar geworden, dass Berlin ziemlich hinterher ist verglichen mit anderen Städten. In Paris werden viele alternative Projekte von der Stadt unterstützt, indem man einfach in simplen Prozessen miteinander arbeitet. Die Stadt ist sich sehr darüber bewusst, was für einen großartigen Input solche Projekte liefern und welche Vorteile daraus für sie entsteht. Es gibt da eine richtige Beziehung zwischen diesen beiden Welten in Paris. Ich bin mir aber nicht, ob Berlin da schon bereit für ist. In Brüssel ist das sogar noch effektiver. Dort gibt es einen richtigen gesetzlichen Rahmen wie Beziehungen zwischen Künstlern, der Gesellschaft, sozialien Projekten, der Stadt und privaten Inhabern organisiert werden. Da gibt es großartige Projekte die unter wunderbaren Konditionen umgesetzt werden.

Berlin hat so eine großartige Szene an kreativen Leuten, aber ich habe das Gefühl, dass das nicht voll gewertschätzt und aktiviert wird. Meiner Meinung nach ist das die große Herausforderung für Berlins kulturelle Zukunft und ein subsistanzieller Grund für politischen Kampf!

Urban Spree, 2016, photo: Alicia Kassebohm

Hier ist eine Frage für euch beide, Nico und Pascal: Vor ein paar Jahren habt ihr Urban Spree eröffnet, ein weiteres Projekt mit vielen Facetten. Wie würdet ihr erklären, was es zu Beginn war und was es jetzt geworden ist?

Pascal Feucher: 2012 war dieser Teil des RAW noch ungenutzt und abgezäunt. Es gab hier gelegentlich mal Raves, und es wurde auch besetzt. Es war voll mit Graffitis und wir haben Überreste eines Proberaums und Aufnahmestudios entdeckt. Ich glaub aber, dass es für mindestens 5 Jahre leer war. Es war aber in gutem Zustand und die perfekte Location um etwas neues, alternatives zu starten.

Die Idee war es eine Fläche für Streetart zu schaffen, bei der die Location mit in den Kontext genommen wird, keine großen Umbauten, sondern ein Verständnis für den Ort, seiner Lage und der Geschichte dahinter. Wir wollten den Ort neu beleben, aber das Rohe und Schmutzige daran beibehalten. Und all das in völliger Unabhängigkeit von jeglichen Brandings. Wir wollten hier Kultur reinbringen. Der Ort wächst organisch in seiner eigenen Geschwindigkeit. Er ist niemals fertig, denn wir setzen jedes Jahr neue Ziegelsteine aufeinander, wie auch immer wir sie brauchen. Der Ort ist lebendig, mobil und mutierend. Man könnte sagen es ist ein Übergangsort zwischen dem, was er davor war (ein underground Technoclub auf dem RAW) und was er jetzt ist (ein gut finanzierter Ort für Kultur und Unterhaltung für ein breiteres Publikum). Das spiegelt auch die schnelle soziologische Veränderung in der Nachbarschaft wieder. Aber wir bleiben da konsistent mit dem was wir da seit Anfang an tun. Wir haben zum Beispiel einen Büchershop, aber nicht des Geldes wegen, sondern weil wir Bücher mögen.

Dubl Trubl – London Street Art in Berlin

Urban Spree in 10/2014, photo: Yuto Yamada

Das RAW Gelände, auf dem die Urban Spree steht, wird sich in nächster Zukunft sehr durch Konstruktionspläne des neuen Inhabers ändern. Wird die Urban Spree diese Veränderungen überleben können? Wie ist der Plan, damit sie mit dieser neuen, kommerzielleren Seite Berlins ko-existieren kann?

PF: Nach dem aktuellen Stand der Pläne des RAW Areals wird die Urban Spree abgerissen. Dort kommen kommerzielle Immobilien hin, wie Büros, Supermärkte, Parkplätze, und so weiter. Es ist also eine natürliche Weiterentwicklung von dem, was in großem Stil im ganzen Bereich um die East Side Gallery schon geschieht. Diese überflüssigen kommerziellen Projekte sind wie Metastasen in ganz Friedrichshain. Berlin wird immer mehr zu einer standardisierten Stadt mit standardisierten Bedürfnissen. Für uns ist es wichtig, dass wir das Gebäude behalten, denn das spielt eine wichtige Rolle darin, die Erinnerung an den Bezirk, wie er mal war, aufrecht zu erhalten. Das was wir jetzt machen in einen sterilen neuen Raum zu verlegen, das wäre schlichtweg irrelevant. Wir werden uns aber den Gegebenheiten anpassen.

Nico, hast du noch andere Projekte auf dem Kerbholz, von denen wir wissen sollten?

ND: Es gibt noch ein paar weitere Projekte, zum Beispiel ein Festival über Berlin in Lille mit einem verrückten Pop-up Restaurant mit Unit Berlin, die meine Lieblingsarchitekten in Berlin sind. Dann gibt es da noch die Weinbar mit Maxim Boillat (Chez Maxim) und ein paar weitere Dinge. Mit meiner Frau Alexia arbeite ich auch an einem neuen große Projekt: Wir wollen mehrere europäische Projekte durch Flüsse und Kanäle verbinden… mit einem großen Boot – ein Traum für mich!

Danke für eure Zeit!

Dubl Trubl

Urban Spree in 10/2014, photo: Yuto Yamada

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Ich frage mich, welche Erfahrungen Luisa und Rike, die Gewinner des Shape Your City Wettbewerbs, über die nächsten paar Wochen machen werden, sobald ihre Bar in Köln eröffnet. Hier wird es mehr dazu geben.

Danke für den Support von Heineken

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Frank

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Frank ist der Gründer und Chefredakteur von iHeartBerlin. Er fotografiert, macht Videos und schreibt Texte - in der Regel über das, was in Berlin gerade abgeht. Seine Vision und Interessen haben iHeartBerlin seit der Gründung in 2007 geformt - und Frank hofft, dass er noch viele weitere Jahre das Beste von Berlin hervorheben wird.