Spieglein, Spieglein, sei so nett, zeig mir die beste Tänzerin des Staatsballet. Na, diese Frage brauch ich meinen alten Flohmarktspiegeln nicht mehr zu stellen. Letzte Woche hatten wir die Ehre, die erste Solotänzerin des Staatsballets Berlin Beatrice Knop Backstage zu treffen, welche die böse Königin in der neuen Schneewittchen Inszenierung des verkörpert. Nachdem wir sie in ihrer Garderobe und hinter dem Bühnenvorhang in ihrem diabolischen Jean Paul Gaultier Kostüm ablichten durften, hatten wir das Vergnügen, sie auch auf der Bühne zu erleben. Mehr Fotos und meine Eindrücke des Abends gibt es nach dem Klick.
Wenn ich das Ballet Schneewittchen von dem französischem Choreografen Angelin Preljocaj mit wenigen Worten beschreiben müsste, würde ich es als kontrastreiche Mischung aus einem düsteren Gothic Musikvideo und einer klassischen Sommernachtstraum-Inszenierung titulieren. Die Spannung des Abends beruht auf den ständigen Brüchen der idyllischen, beinahe kitschigen Gruppenchoreografien, die immer wieder von der Königin und ihren beiden Dämonenkatzen aufgebrochen und zerstört werden. Sicherlich wird die ein oder andere Omi und begeisterte Besucherin des üblichen Staatsballetprogramms bei den mit elektronischen Effekten unterlegten Horrorszenen die Nase rümpfen. Und sicherlich würde das jüngere Volk, was wir unter den Besuchern erspäht haben, auch auf einige durch Mahler unterlegte Balletmomente verzichten können. Doch für mich war der Spagat zwischen den Stühlen sehr gelungen und ich konnte mich für alles gleichermaßen begeistern.
Natürlich haben die Soloszenen von Beatrice Knop mich wesentlich mehr in den Bann gezogen, als das Liebesgedudel von Schneewittchen und ihrem Prinzen, aber das liegt wohl an meinem Hang zu starken und bösen Frauenfiguren in Märchen. Doch selbst objektiv betrachtet waren die Spiegelszenen der Hexe einfach nur magisch und elektrisierend und konnten nur noch durch die Ermordung des Schneewittchens durch den giftigen Apfel an Intensität übertroffen werden.
Kostümtechnisch hat Gaultier sehr gut die hohen Erwartungen an sein Designtalent erfüllt. Unglaublich fließende und lebendige Entwürfe, die mit seinen Markenzeichen den Lederharnissen und Lederwesten kombiniert wurden, erzeugten zündende Kontraste. Auch hier galt es eine schöne Brücke zwischen Mode und Kostüm zu schlagen, welches dem Modeschöpfer anstandslos gelungen ist. Schade eigentlich, dass die Kostüme nicht als Kollektion zu erwerben sind. Ich könnte sie mir in gleicher Art auch auf den Laufstegen von Paris und Mailand vorstellen. Besonders einige der Männerstücke erwiesen sich als tragbare Kostbarkeiten, die ich gerne in meinem Besitz gewusst hätte.
Foto: Enrico Nawrath
Auch über das Ende scheinen sich Gaultier und Preljocaj gemeinsam Gedanken gemacht zu haben. Zuletzt ist zum Glück kein kitschiger Liebestanz, sondern der Tod der Hexe dargestellt. Als Strafe muss die Königin ihre heißen Lackpumps ausziehen, um in die hässlichsten Schuhen dieses Universum gesteckt zu werden: den Crocs. In diesen tanzt sie sich dann zu Tode. Dagegen scheinen mir die alten Foltermittel aus dem Mittelalter ein Kinkerlitzchen.
Insgesamt ist Schneewittchen ein unglaublich fesselndes Stück, was es sich lohnt zu besuchen, auch wenn man ansonsten nicht der übliche Balletbesucher ist. Es finden noch folgende Aufführungen statt:
Schneewittchen
17., 19. & 22.05.2009
12. & 13.06.2009
29.09.2009
01., 10., 13., 16., 23. & 25.10.2009