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Irrenhaus Berlin – 1. Therapiestunde
Es gibt Krankheiten, die nirgendswo auf der Welt zu existieren scheinen, außer in Städten wie Berlin. Eine dieser psychischen Erkrankungen ist sicherlich die Talentkotzerei. Wo andere schon den Begriff multitalentiert oder gar Multitalentose geprägt haben, trifft meiner ärztlichen Meinung nach der Begriff Talentkotzerei wesentlich mehr zu. Was sich hinter dieser widerlichen Krankheit verbirgt findet ihr nach der Kloschüssel.
Viele meiner Patienten (sie selbst sehen sich meist als meine Freunde – arme verwirrte Seelen…) haben zumeist mehr Talente als die Normalsterblichen. Dennoch ereilt sie keinerlei Schamgefühlt diese Stück für Stück jeden Morgen in die Toilette zu kotzen, um danach an einem Arbeitsplatz zu gehen, der völlig talentfrei gemeistert werden kann. Diese heimlichen Kotzer sind die größere, wenn auch unaufälligere Gruppe von Talentkotzern.
Wesentlich anstrengender für die Umgebung sind die Talentkotzer, welche die Öffentlichkeit an ihrem Gekotze einfach teilhaben lassen. Dies wird in künstlerischen Kreisen oft als Exposure bezeichnet, ist aber nichts weiter als das präsentieren unverdauter Fähigkeiten einem doch hoffentlich positiv gestimmten Publikum. Die Berliner haben aber meistens einfach keine Zeit für so eine Sauerei und deswegen bleiben solche Kotzpremieren oder Kotzvernissagen oder Kotzauftritte so gut wie leer. Das schlimmste an der Krankheit ist allerdings, dass der Befallene sich nicht besinnt, sein Talent wieder einsammelt und schluckt um weiter zu verdauen, sondern er lässt es links liegen um sich gezielt dem nächsten Talent in seinen Sinne zu widmen.
Talentkozter sollten nicht mit Dilettanten verwechselt werden. Sie sind wesentlich gefährlicher, weil sie einerseits sehr süchtig, aber auch sehr ansteckend sind. Jedem, der halbwegs über ein ordentliches Talent verfügt, empfehle ich totale Quarantäne von solchen Menschen. Meist sind sich die jüngeren Erkrankten über ihre Situation bewusst und damit zutiefst unglücklich. Leider führt das nur zu weiterem Kotzen.
Die erfolglosen Berliner Talentkotzer machen größtenteils den Ruf von Berlin als Kreativhaupstadt aus und sollten sicherlich vom Tourismusbüro eine Medaille erhalten. Außerdem ist die ganze Kotze ein Superdünger für diejenigen, die vielleicht nicht die talentiertesten sind, aber dafür ambitionierter. Gerade in Berlin kann festgehalten werden, dass diejenigen, die am meisten Erfolg haben, sicherlich nicht die Begabtesten sind. Oder wie meine Großmutter immer sagt: gutverdaut ist besser gelebt.