photo: Oliver Rath
Ich habe keine Lust mehr auf die normalen Interviews. Deshalb starten wir heute ein neues Interview-Format: Wir sprechen mit Bands, Musiker und Djs über – Musik. Wir befragen sie einfach nach ein paar Liedern, das Video gibt es gleich dazu. Keine Angst: es geht nicht nur um Techno, sondern um Musik aller Genres.
Den Anfang macht Bonaparte. Die Band muss man inzwischen nicht mehr vorstelle. Nur so viel: wenn man bei der Google-Bildersuche “Bonaparte” eingibt, erscheinen auf der ersten Trefferseite inzwischen genau so viele Bilder von dem französischen Eroberer wie von der hedonistischen Befreiungsarmee.
In unserem Interview haben wir den Kaiser u. a. zu Michael Jackson, Serge Gainsbourgh und Lady Gaga befragt.
Michael Jackson – Smooth Criminal
Bonaparte: Nun, ich gebe zu, mit Michael auch eine innige Zeit meines Lebens verbracht zu haben. Kaufte mir “Off the Wall” auf dem Flohmarkt in Montpellier Mitte der 80er Jahre. Tolle Musik für kleine Buben. Was die Live-Shows angeht, hatte er bessere Zeiten als dieses Video hier. Wenn man den ganzen Ramsch rundherum aber mal wegdenkt, sich einfach der Musik und der Produktion hingibt – nach wie vor grosses Kino.
Pilocka Krach – Gitarre spielen
Pilocka Krach for Bürgermeister. Der Kaiser mag die Pilocka sehr. kracht und rockt und steigt live auf den Tisch und gar verschmitzt über den Tisch hinaus. Lustigerweise spielt die Gitarre hier natürlich gar nicht wie bei Bob Dylan sondern viel mehr wie beim Urvater der schweizerdeutschen Liedkunst, Mani Matter.
The KLF – Justified And Ancient
Zu meiner Schande kenne ich The KLF ja mehr von ihren Aktionen als K Foundation und ihrem Buch “Der schnelle Weg zum Nummer 1 Hit” als von der Musik. Aber man kann nicht in jedem Jahrzehnt gerade auf der Höhe der Zeit sein – sie gingen also musikalisch gänzlich an mir vorbei. Viele Samples, das weiss ich. In ihrer Zeit wohl irgendwie wichtig, aber eben auch sehr mit der Schwelle der 80er zu den 90ern verbunden. Und an dieser Schwelle stand ich nie wirklich.
Justin Hinds & The Dominoes – Carry Go Bring Come
Höre ich soeben zum ersten Mal. Sehr toll. Gemütlicher Ska. Diese Musik hat Seele. Diese Musik hat Zeit. Kein überflügisses Beigemüse, nur gute Stimmung. Erinnert mich an eine Jam Session vor Jahren in meiner Heimatstadt, bei der ich mit den alterwürdigen, langbartigen, wuschelmähnigen Herren von The Skatelites gespielt habe – da war ich aber hingegen noch sehr jung und wusste nicht mal wirklich, wo Jamaika liegt oder wie es da unten so riecht.
Serge Gainsbourg – Sea, Sex And Sun
Serge ist ein Gott. Sein Werk eines der Testamente. Dieser Track vielleicht nicht mein liebster Song, obwohl ich ja den Ausdruck “Sea, Sex & Sun” durchaus des öftern im Alltag zitiere. Serge ist einer der grössten Komponisten und Texter, an welche sich der Planet Erde auf seinem Sterbebett einmal erinnern darf. Aus dieser ganzen Auswahl sicher der am nächsten mit der Musik von Bonaparte verwandte Post. Ein Poet der Anzüglichkeiten, ein Jongleur der Alliterationen, ein Akrobat auf dem Seil des Satzbaus.
Rancid – The 11th Hour
Hm… Naja. Nicht so mein Ding. Zumindest mag ich mir Punk nicht auf Youtube in 99kbps anhören – wenn, dann bitte mittendrin und laut und mit etwas ätzendem Geruch in der Nase. Und laut. Ach, hab ich schon gesagt.
Maceo Parker – Shake everything you’ve got
Ich kam lustigerweise über Maceo zu James Brown – und da will man am Ende ja eigentlich hin. Ich hing als Teenager öfters mit Spitzbart Karl Senson rum, welcher ja nach seiner Lenny Kravits-Phase viel mit Fred Wesley spielte, welcher wiederum hier mit Pee Wee Ellis und Maceo zusammenspielt. Ich fand aber die JB oder Horny Horns immer spannender als seine Solosachen. Oder aber eben the real deal: James Brown hören.
Lady Gaga – Alejandro
Lady Gaga ist unter den Tänzern im Bonapartschen Tourbus Dauerthema. Ich kenne ihre Musik nicht, höre aber ihre Live-Show sei gut. Visuell wird hier sicher einiges gewagt. Als solches nicht unbedingt innovativ, aber in den Sphären des Pop-Olymp 2010, in welchen sich dies hier alles abspielt, allemal eine bemerkenswerte Sternschnuppe – die logische Weiterentwicklung. „Alejandro” ist „Isla bonita”-Abklatsch, Gaga ist Gesamtkunstwerk.
Marek Hemmann – Right (feat. Fabian Reichelt)
Kannte den Artist nicht, sehe aber, dass er sehr bald in der Bar25 auflegt. Minimal Techno aus Jena. Produktion gefällt mir gut, hätte den Track viel lieber ohne irgendwelchen Text, ohne Worte, geschweige denn Gesang dazu. bum bum und squeak und woosh und suuuuuub blubber blubber bang bang reicht hier alle mal aus.
Bonaparte – Computer In Love
Bonaparte ist total überbewertet.
photo: Melissa Hostetler
LIVE! (Circus Show) 06.11.2010, Berlin, Astra