Die Bestien und Wir (der zuschauende Rest)

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Irrenhaus Berlin – 5. Therapiestunde

Berlin – meine Savannefantasie für die Zukunft. Die gentrifizierende Wüste frisst sich durch die Stadtteile und lässt karges Land zurück. Wo einst Ateliers erblühten, dörren Dönerimbisse und Schischa-Bars. Besetzte Häuser werden von Hoteldünen erstickt.  Die Oasenplätze werden knapp und die Spree muss der Media-Medina weichen. Die Unfreiheit der Wirtschaftlichkeit lässt uns dürsten und mit dem Durst kommen die Bestien. Wo und wie diese wüten und wie wir anderen dabei zuschauen, meist gleichgültig, nach dem Klick.

Verzicht macht hungrig und lässt uns die Zähmung vergessen, die wir durch künstlerische Fruchtbarkeit und die Fülle der leerstehenden Wohnungen und der freien Lieben erlebt haben. Ein Weg um der Knappheit zu entkommen ist die, das Maul weiter aufzureißen, als der neben dir. Beiße deinen Nächsten wie dich selbst. Amen.

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Die Bestien sind Antihippies unserer Generation. Nehmen keine Rücksicht auf die Wünsche, Hoffnungen und Gedanken der kleinen Antilopen. Sei es die Praktikantin aus Ulm, die endlich mal in so eine tolle hippe Agentur will, oder der dünne schwule Junge aus Gelsenkirchen, der auch jedes Wochenende in so einen großen dunklen Club tanzen will. Die Lämmchen tragen Wolfs-T-Shirts und denken sie wären damit Teil des Rudels geworden. Sie sollten sich allerdings besser fragen, wo derjenige abgeblieben ist, der sein Wolf-T-Shirt bei Humana abgegeben hat, damit man es sich für 20 Euro dort nun kaufen kann. Wo sind allgemein die ganzen Leute abgeblieben, dessen Kleider in den Second-Hand-Shops und dessen Möbel auf den Flohmärkten dieser Stadt verkauft werden. Wer hier meint, das wären alles Sachen von toten Omis, der glaubt doch auch an den Weihnachtsmann.

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Ich glaube an die Bestien. Das sind für mich die Berliner, die vor lauter Angst, mal nicht mehr die Traumwohnung für 200 Euro, die sexy Kunststudentin mit Waschbrettbauch als Freundin, und die Bar 25 ganz für sich alleine zu haben, lieber andere beiseite schaffen, als am eigenem Leibe Mangel zu spüren. Ein bisschen tollwütig sind diese Bestien schon. Gefährlich nur aus ihrer Ängstlichkeit heraus. Doch wirklich krank sind wir anderen – die, welche zuschauen wie damals bei Kitty Genovese. Oder hieß die Frau doch Kitty Yo? Wer weiß das schon.

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<a href="https://www.iheartberlin.de/de/author/cr/" target="_self">Claudio</a>

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