Die Gefräßigen kommen!

Foto: Bierlos on flickr

Irrenhaus Berlin – 7. Therapiestunde

Ihr fleischfressenden Maden in Menschengestalt, ihr unersättlichen Heuschrecken mit Beinen statt Flügeln und Augen statt Antennen. Eure Kauwerkzeuge sind bestialisch, denn sie verschlingen diese Stadt, in der wir wohnen. Es ist eure Gier, der unsere Läden, unsere Arbeit, unsere Wohnungen weichen müssen. Denn dort wo wir genügsam wären, trachtet ihr nach dem nicht existierenden Mehrwert, den ihr dieser Stadt aus den Rippen reißen wollt. Eure Krankheit ist die Megalomanie. Die Schriftgröße 42 auf eurer Tageszeitung wird euch bald verraten, dass ihr ohne ein weiteres Alexa, eine größere O2World, einem höherem Hotelbunker nicht mehr glücklich seid mit diesem Berlin. Ein Berlin, was ihr auch manchmal gerne Babylon nennen würdet, um den Turm zu bauen, der euch selbst feiern soll. Eure Götter heißen MAXI, MEGA oder SUPER. Ich nenne euch die Gefräßigen. Mehr Superlative für euch nach dem Klick.

Eure Sprache ist fett wie eure ewige Nahrung. Ihr seid nicht Teil der Nahrungskette, sondern tragt diese wie ein stinknormales H&M Schmuckstück um euren Hals. Ein wenig Unschuld steckt in eurem Verhalten schon. Denn das heiße Öl floss euch als Kinder in die Ohren rein, als ihr mit eurer liebsten Friteuse gespielt habt. Dort wurden Synapsen verschmolzen, die nicht beieinander sein sollten. Ihr wisst gar nicht, wie sehr eure Bürgerläden, eure Riesen-Partys , euer ÜBERLeben mich in Versuchung bringt, auch mal zuzulangen. Auch die Wohnung mit Dachterrasse und Pool zu wollen, obwohl doch auch ein Balkon gereicht hätte. Auch das glitzernde 3-D Wunder, was ihr als Flatscreen kennt und ich Fettscreen nenne, in meinem Wohnzimmer zu haben. Eure Krankheit ist ansteckend. Fast schon hätte ich mir auch das Ticket für den Pop-Akt gekauft, der bei Universal unter Vertrag ist, um mit tausenden anderen die riesige Bühnenshow zu erleben, anstatt mal wieder ins Theater zu gehen.

Ihr habt so viel in unserer Wahrnehmung verändert. Das Sowjetdenkmal ist eine Puppenkiste im Vergleich zu der Statue von Lady Gaga, die ihr aufstellen wollt. Es gibt nicht mehr vier Jahreszeiten sondern mindestens 24. Ihr schafft den Stadtteilmikrokosmos ab, um den Makrokosmos der Gesamtheit zu stärken. Ihr müsst das alles tun, denn ihr spürt die kleinen Dinge gar nicht mehr, schmeckt die feinen Nuancen nicht, seht den feinen Unterschied nicht und merkt nicht, dass euer Größenwahn ein Zerstörungswahn ist. Dieser führt sich fort bis in eure Herzen, Nieren, Arterien und Psychen. Denn XXL ist keine Portion mehr, sondern eure Diagnose.

Wer die Gefräßigen nicht kennt und nicht glaubt, dass diese tatsächlich existieren, sollte 50 Minuten entfernt von Berlin die Gaststätte Redo XXL aufsuchen (siehe Flyer), um sich selbst zu überzeugen…



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