Fotos: Malte Jäger
Der Berliner Fotograf Malte Jäger, der auch einer der 12 Künstler unserer GIF.ME.BERLIN. Ausstellung war, ist sechs Monate um die Welt gereist, um Couchsurfer auf ihrem Weg von Sofa zu Sofa zu begleiten und ihre Erlebnisse in Bildern festzuhalten. Das Resultat ist sein Buch Couchsurfin’ the World. In einem Interview haben wir mit ihm über sein Projekt gesprochen. Mehr nach dem Klick.
1. Wie bist Du auf die Idee gekommen?
Die Mitbewohnerin einer Freundin hatte Besuch aus Finnland, den sie über den Hospitality Club, einem Vorgänger von Couchsurfing.org, kennen gelernt hat. Mich faszinierte die Idee, auf diese Art Menschen kennen zu lernen. Im Netz knüpft man den Kontakt, und ein paar Tage später kann man irgendwo auf der Welt übernachten und hat soetwas wie Freunde.
Die Gelegenheit es selber auszuprobieren, hatte ich dann Jahre später in Hannover, dort bin ich auf diese Weise auf einen sehr netten Kerl gestoßen, der im Auftrag von Bauern Mist kauft, verkauft und auf den Feldern anderer Bauern ausbringt. Ich hätte diesen Menschen vermutlich ohne Couchsurfing nie kennen gelernt. Wir haben uns bis morgens um drei Uhr unterhalten und blendend verstanden.
Und da kam mir die Idee, dass ich über diese Gastfreundschaftsnetzwerke eine Geschichte machen müsste.
Nach kurzem Überlegen habe ich den Plan gefasst, reisende Couchsurfer in sehr verschiedenen Erdteilen bei ihren Reisen durch fremde Wohnzimmer zu begleiten. Mir war dabei wichtig, dass meine “Guides” möglichst anderen Kulturen angehörten, als die von ihnen Besuchten. Letztendlich habe ich meine reisenden ProtagonistInnen dann über die Website couchsurfing.org gefunden.
2. Was waren Deine schönsten Erlebnisse?
Bei einer Reise von 6 Monaten in so unterschiedlichen Erdteilen wie Europa, Afrika, Zentral Asien, Brasilien, USA und Indien lässt sich das so unmöglich beantworten. Es ist einfach wahnsinnig viel passiert unterwegs. Das schönste war aber mit Sicherheit die unglaubliche Gastfreundschaft der Couchsurfer, die ich so kennen lernen konnte. Sie alle waren bezaubernd nett!
3. Was war das unerfreulichste Erlebnis?
In Bezug auf Couchsurfing gab es für mich nur ein wirklich seltsames Erlebnis. Ich war in Mumbai dazu verabredet, meine Hauptprotagonistinnen bei einem über fünfzig Jährigen Navy Kapitän zu treffen. Als ich dort nach einer recht beschwerlichen Reise ankam, hatte der Kapitän noch zwei andere Couchsurfer eingeladen. Insgesamt war also ziemlich viel bei ihm zuhause los. Das schien ihm bei näherer Betrachtung dann doch nicht zu gefallen und er hat uns kurzerhand alle wieder vor die Tür gesetzt. Aber das war der einzige Vorfall dieser Art bei über 50 besuchten Couches.
Ansonsten mussten wir in Afrika zwischen der Westsahara und Maurethanien in einem Mienenfeld übernachten, ständig Korrupte Polizisten schmieren, damit sie und weiterfahren ließen, und und und. Dinge, die Reisenden eben begegnen, die später aber die spannenderen Erinnerungen ausmachen.
4. Welcher Ort hat Dir besonders gut gefallen?
Auf jeden Fall Brooklyn, NYC. Dort würde ich sehr, sehr gern selbst für eine Zeit leben. Schade, dass sie uns dort nicht reinlassen wollen 😉
Ausserdem gab es in Brasilien nahe Jericoacoara einen unfassbar schönen Fischerort, dessen Namen ich nicht verraten werde. Dort wurden wir vom örtlichen Dorflehrer mit dem passenden Namen “Messias” von der Ladefläche eines Pick Ups herunter zu ihm nach Hause eingeladen. Wir verbrachten mehrere Tage in seiner Fischerfamilie. Lustigerweise, stellten wir im Laufe unseres Aufenthaltes fest, dass die etwas rüde Bardame, die auch bei uns lebte, die Prostituierte des Dorfes ist. Ich werde die Familie hoffentlich bald wieder Besuchen können. Im Sommer fliege ich zum Arbeiten wieder nach Brasilien. Vielleicht klappt es dann ja schon…
5. Kannst Du uns ein paar Geheimtipps verraten?
Man kann jeden Ort mithilfe von Couchsurfing ganz neu erleben. Wie gesagt, bei meinem ersten Versuch fand ich auf einmal selbst Hannover spannend. Dadurch, dass man auf diese Weise Einblick in das Leben der Menschen erhält, wird alles viel spannender.
Rein regional war für mich das Pamir-Gebirge in Tadschikistan der spannendste Ort meiner Reisen. Dort gibt es allerdings fast keine Couchsurfer, da es nicht einmal Telefonleitungen, geschweige denn überall Elektrizität oder Internetverbindungen gibt. Aber man kann dort als Reisender sowieso ausschließlich als Couchsurfer seine Nächte verbringen. Man nennt es dann „Homestay“ und zahlt für die Übernachtung bei einer Familie inklusive Vollpansion etwa 5 Dollar pro Nacht.
6. Was sind Deine Pläne für die Zukunft?
Ich werde selbstverständlich weiter fotografieren. Das ist ja mein Beruf. Zur Zeit arbeite ich an der Recherche für verschiedene, in Frage kommende, freie Projekte. Aber ich habe mich noch auf keines festgelegt. Sicher ist nur, dass auch meine nächste, nicht kommerzielle Arbeit mit Alltagskultur zu tun haben wird.