Musikhören mit Super700

Photo: Jens Wernscheid

In einer Zeit, in der sich so viel in der Musik um “Retro” dreht, also um die Wiederbelebung irgendwelcher Strömungen aus den 70ern, 80ern oder sogar 90ern, ist es wirklich erfrischend, wenn es Künstler gibt, die nicht in die Vergangenheit schauen, sondern in die Zukunft – deren Ziel Originalität ist. Die Berliner Band Super700 gehört sicherlich dazu. In unserem Interview haben wir über Musik anderer Künstler gesprochen, die gleichermaßen frei von jeglichen Retro-Allüren sind: Sigur Rós, Elbow, David Bowie und NU. Mehr nach dem Klick.

Sigur Rós – Hoppípolla

Jan: Eines verregneten Nachmittags hatte mein Freund Vincent einen merkwürdigen Tagtraum in seiner 12qm großen Pariser Wohnung. Er träumte von einer Reise nach Island – von der Weite der Landschaft, von Geysiren und Vulkanen. Er würde auf der Insel trampen und schließlich vom Bandbus von Sigur Rós mitgenommen werden.

Ein Jahr später buchte er tatsächlich den Flug. Von Reykjavik aus wanderte er allein durch das baumlose Landesinnere über Moos und Gletscher. Eine ganze Woche wollte er durch die Natur ziehen, nur mit einem Rucksack und einem Zelt. Doch schon am verregneten zweiten Tag glitt er auf einem mit Flechten überwucherten Stein aus und verstauchte sich das Fußgelenk. Mühsam schleppte er sich weiter – doch es hatte keinen Zweck – er musste zurück zur Stadt.

Endlich hatte er eine der wenigen Straßen erreicht um ein Auto anzuhalten, doch er wartete viele Stunden vergeblich. Erst nach Einbruch der Dämmerung nahm ihn ein Jeep mit. Der hilfsbereite junge Mann am Steuer lud Vincent für den nächsten Tag zu seinem Konzert ein – von seiner Band Sigur Rós.

Elbow – Open arms

Schmiddle: Elbow verfolgen wir schon seit ihrer ersten Platte. Der Sound dieser Band war seit Beginn immer speziell und hat uns in ihren Bann gezogen. Die Songs sind oft stark und ungewöhnlich. Diese rauhe Stimme ist eigen und emotional: Elbow erkennst Du sofort wieder. Bei einem Live-Konzert kam ein weiterer Aspekt hinzu: ihr englischer Humor, dazu diese kumpelhafte Art, das alles hatte irgendwie den Charme eines English Pub nach einem Spiel ihrer lokalen Soccer-Helden.

Elbow haben diese eigene Fussball-Stadion-Hymnen-Art in eine stilvolle Musik gewandelt, dass es nicht zu glauben ist. Wie konnte man das jemals verbinden, ohne in “Football’s coming home” zu enden??

Auch diese neue Single versprüht im Refrain diese typische Elbow-Hymnen-Art. Für mich nicht so stark wie ältere Songs, aber schön. Nach fast Dekaden-langer Elbow-Fan-Tradition fühl ich mich hier sofort zuhause…

David Bowie – Ashes To Ashes

Ibadet: Als ich Ashes to Ashes aus dem Scary Monsters-Album das erste Mal auf MTV gesehen und gehört habe, saß ich als kleines Mädchen mit meinen Schwestern und den Nachbarskindern im Wohnzimmer vor der Glotze.

Das Video hatte uns ziemlich aufgescheucht. Wir fanden es verrückt und versuchten die bizzare Bilderwelt zu begreifen. David Bowie als Pierrot, Frauen in Hohenpriestergewändern, die Farben wechselten ständig. Nichts machte Sinn, und ich fand es sogar ziemlich scheusslich, aber es war in seiner Unbegreiflichkeit trotzdem einnehmend.

Die funkige Basslinie und der Synthie, der an eine springende Feder erinnerte, machten uns tanzen, und am Ende köderte uns der Song mit dem kinderreimähnlichem Gesang, so dass wir uns schließlich an der Schminke meiner Mutter vergriffen und uns weiße, übel riechende Paste ins Gesicht schmierten (eine Spezialmischung aus dem Kosovo aus hautaufhellendem Quecksilber ), uns übergroße rote Lippen malten und die paar Fetzen Melodie, die noch an uns hängen blieben, in falschem Englisch durch die Gegend trällerten.

Die schönste Zeile war damals schon und ist bis heute geblieben: “Ashes to ashes, funk to funky. We know Major Tom’s a junkie”. Wir besiegelten ahnungslos mit David Bowie das Ende seiner Dropenphase und feierten verrücktgeworden mit.

Nu feat. JoKe – Who loves the sun

Michael: Meine Oma hat einmal gesagt: “Wenn du nichts Gutes über etwas zu sagen weißt, sag am besten gar nichts.”

Super700 – Decent Snow

Manchmal ist das Leben ein Schneesturm. Obwohl es eh schon kalt ist, bläßt einem der Wind auch noch alles ins Gesicht. Decent Snow ist ein Baumstamm, der stehen bleibt, nachdem alles erfrohren ist und alle Zweige abgebrochen sind. Im Frühling sprießen dann tatsächlich wieder neue Knospen.

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