Was macht eine Mutter, wenn sich herausstellt, dass ihr Sohn ein kaltblütiger Mörder ist? Erst wird sie sich wahrscheinlich weigern zu glauben, dass es wahr ist und dann wird sie beginnen nach Erklärungen für die Korruption ihres kleinen Lieblings zu suchen.
In Lynne Ramsays neuem Film We need to talk about Kevin, tut Eva (Tilda Swinton) genau das nachdem ihr 15-jähriger Son Kevin (Ezra Miller) in seiner High School Amok läuft…
Flashbacks der Mutter-Sohn Beziehung mischen sich mit Evas Leben als Soziale Außenseiterin – sie wäscht rote Farbe von ihrer Hauswand, muss sich von Müttern seiner Opfer ohrfeigen lassen lässt und nimmt einen Job an, weit unter ihren Qualifikationen liegt. Die traumartige Verwebung der Sequenzen macht den Film noch härter und obwohl er als Drama geschrieben wurde, macht die emotionale Wucht die unter der Oberfläche der Bilder schlummert, ihn zu einem erschreckenden Horrorfilm.
Als Eva schwanger wird ist sie im Gegensatz zu ihrem Mann mit Teddycharme (John C. Reilly) nicht bereit das Chaos, welches ein Baby gemeinhin auch bedeutet, in ihr Leben zu lassen. Während Kevin seine Mutter tagsüber in den Wahnsinn treibt ist er beim Vater ganz der brave Sohn. Von Anfang an scheinen die beiden in einem Machtkampf verwickelt bei dem Kevin am längeren Hebel sitzt. Als Baby schreit er tagelang, bis er ca. 5 ist weigert er sich die Toilette zu benutzen und zwingt seine Mutter so ständig seine Windeln zu wechseln. Als Teenager dechiffriert er Evas Versuch ihm eine Vertrauensperson zu sein und lehnt dies für sie schmerzhaft und bitterböse ab. Neben seiner Mutter treibt Kevin so auch den Zuschauer in den Wahnsinn, das beginnt mit Eva zu sympathisieren.
Statt der Psyche und Entwicklung von Kevin als Killer steht hier also das große Thema der Mutter-Kind Beziehung im Mittelpunkt. Der Film sucht dabei keine Antworten auf die Motive hinter Kevins Tat, sondern beobachtet vielmehr Mutter und Sohn in ihrem Kampf einander zu akzeptieren, verstehen und lieben. Der Films bleibt folglich viele Antworten schuldig, was statt Makel aber eher Stärke und wohl Intention des Filmes ist.
Elternschaft, sagt Swinton, ist ein Bereich indem es keine Experten gibt. Jeder versucht sein bestes, aber keiner ist perfekt und somit Fehler vorprogrammiert. We need to talk about Kevin ist ein Satz auf den man in diesem Film verzweifelt wartet, zu hören bekommt man ihn aber leider nicht. Stattdessen trägt Eva den Kampf gegen ihren zynischen Sohn allein aus, während sich Francis instrumentalisieren lässt und sich ihre Beziehung zunehmend abkühlt. Vielleicht ist das die Lektion, die der Film vermittelt: es mangelt an ehrlicher Kommunikation. Jeder kämpft an seinen eigenen Fronten und obwohl We need to talk about Kevin nie den Zeigefinger erhebt, scheinen sich die häufig rot eingefärbten Bilder doch zu einer Aussage zu formieren. Das ausgeprägte Streben nach Individualität und die daraus resultierende Unfähigkeit sich mit anderen zu verbinden ist die allgegenwärtige Fehlerquelle in Familien-, Job- und Gesellschafts- Angelegenheiten. So kann Eva weder ihre Probleme mit dem eigenen Kind noch den Schmerz über dessen Tat teilen. konstant glaubt sie Andere könnten es besser und würden Sie nicht verstehen und so igelt sie sich in ihre kleine Welt voll Leid, Schmerz und Verzweiflung ein.
Man vergisst diesen Film nicht mehr so schnell. Er animiert unbequeme Fragen zu stellen und auch noch unbequemere Antworten zu finden. Zur Erheiterung oder Ablenkung schaut man sich diesen Film besser nicht an, sondern eher wenn man bereit ist zu tun was schon der Titel fordert: We need to talk about Kevin.
We need to talk about Kevin (R: Lynne Ramsay, UK 2011)