Ist Berlin zu touristisch geworden?

FotoChristian SchirrmacherCC

Seit dem Mauerfall hat der Tourismus in Berlin stetig zugenommen. Im Vergleich zum raketenhaften Anstieg des Tourismus in Metropolen wie London oder Paris, sind die Zahlen in der Hauptstadt zwar noch vergleichsweise bescheiden, doch der immer-nörgelnde Berliner sieht darin schon Grund genug zu stänkern. Die Stadt sei zu unruhig, zu laut, zu voll und natürlich viel zu teuer! Die abgeneigte Haltung der Berliner zu Touristen geht so weit, dass es sogar Anti-Touristen Bewegungen gibt, inklusive Demonstrationen gegen den Stadtfeind Nr.1: Dich, den Touristen. Aber jetzt mahl ehrlich, wie ernst meinen Berliner ihren Besucher-Hass wirklich?

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Die Zeiten wo man ganz entspannt von der Warschauer zum Boxi laufen konnte sind lange vorbei. Zwar sind die Touristenströme, mit Selfiesticks, 25 Kameras an 2 Händen, Sportsandalen und Tennissocken in Berlin immer noch vergleichsweise gering, doch hat Berlin ein ganz anderes Touristen “Problem”: Den hippen Touri. Junge Menschen Anfang, Mitte 20 buchen aus der ganzen Welt billige Flüge, beziehen günstige Hostels und warten eher in der Schlange vor dem Berghain als vor dem Pergamon Museum. Sie alle wollen das erleben, wovon  ihnen sämtlichen Lifestyle Blogs, Fashion Magazinen oder Listicles wie “10 Reasons Why You Should Move to Berlin Right Now” berichtet haben: Dieser “True, Authentic Berlin Lifestyle”. Aber wie lange geht’s noch authentisch zu, wenn kein Raum mehr bleibt für authentische Berliner, überrannt von einer Masse von Touris auf der Suche nach Berliner Authentizität?

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Betroffen sind besonders die ehemaligen Arbeiterklasse Viertel wie Neukölln, Friedrichshain und Kreuzberg. Im Westen geht es in Sachen Touristen wiederum ruhiger zu. Es geht also weniger um die Reduktion der Touri Massen als um deren bessere Umverteilung. Die Ironie des ganzen ist natürlich, dass Berliner zwar über Touristen stänkern, aber sie sich darüber bewusst sein sollten, dass die ganzen “Fremden” die Hauptstadt mit ihrem Taschengeld  am Leben erhalten, ob nun vorm Berghain oder vorm Pergamon. Aggressive Nostalgie über die “Zeit als noch alles besser war”, hat ja wirklich nie irgendjemanden weiter gebracht. Wenn der Senat die Verteilung der Massen ein bisschen strukturierter planen würde, könnten Besucher und Bewohner diese wunderschöne Stadt auch zu gleichen Teilen genießen. Denn – mal ganz ehrlich – wenn wir an einen “Berliner” denken, denken wir dann an den blonden Deutschen namens Wolfgang? – Wohl eher nicht. Diese Stadt wurde seit jeher von den Menschen geformt, die hier her kamen, als Besucher, als Fremde, um dann diesen Ort ihr Zuhause zu nennen. Und das ist auch heute der Grund, warum Menschen Berlin besuchen wollen oder sich sogar entscheiden hier zu leben: Wegen geteilten Werten wie Nächstenliebe und Toleranz. Und das sollte auch so bleiben!

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