Kunst in Berlin: 5 Ausstellungen, die ihr nicht verpassen solltet

Es ist gerade eine seltsame Zeit, oder? Der Winter ist vorbei und der Frühling noch nicht da. Oder anders gesagt: Es ist zu mild, um das Haus nicht zu verlassen und zu kalt, um lange an der frischen Luft zu bleiben. Wer also einfach rauswill, ohne dabei zu frieren, sollte sich auf den Weg ins nächste Museum machen. Denn einige Berliner Kunsthäuser bieten uns gerade nicht nur einen Tapetenwechsel und beheizte Räume, sondern auch richtig gute Ausstellungen. 

Hier sind fünf davon, für die es sich lohnt, das Haus zu verlassen:

Margaret Raspé, Automatik, bis 29.05.23
@ Haus am Waldsee
Wie sieht die gesellschaftlich oft unsichtbare Care Arbeit eigentlich aus? Margaret Raspé (*1933 in Breslau) hat sich das bereits vor rund 50 Jahren gefragt. Im Jahr 1971 montierte sie deshalb eine Super-8-Kamera an einen Baustellenhelm und filmte ihren Alltag. Das Besondere: Der “Kamerahelm” nahm exakt die Perspektive von Raspé ein – was sie sah, sah auch die Kamera und durch die Aufnahme auch die Betrachtenden. Die dabei entstandenen Filme zeigen uns die automatisierten Alltagsabläufe der Hausarbeit, die damals und auch heute noch viel zu oft, als “reine Frauenarbeit” angesehen werden. Margaret Raspé machte sie sicht- und erfahrbar – und lädt auch heute noch dazu ein, anhand der Aufnahmen gesellschaftliche und soziale Konventionen zu hinterfragen.

Im Haus am Waldsee kann man nun die erste umfassende Retrospektive der Berliner Künstlerin sehen. Wer Kunst schätzt, die nicht nur radikal und experimentierfreudig ist, sondern sich auch bewusst abseits bekannter Darstellungsformen bewegt, sollte sich Automatik nicht entgehen lassen.


Bilder: Margaret Raspé, Alle Tage wieder – let them swing!, 1974, super 8, Farbe, ohne Ton, 20 Min., Filmstills. Courtesy die Künstlerin und Deutsche Kinemathek, Berlin

 

William Eggleston, Mystery of the Ordinary, bis 04.05.23
@ C/O Berlin
Wie fand eigentlich die Farbfotografie ihren Weg ins Museum? Schwarzweiße Fotografien waren lange Zeit nicht nur die einzig verfügbare, sondern auch die bevorzugte Option in Sachen Fotografie. Farbige Abbildungen hingegen waren bis in die 70er Jahre hauptsächlich in Werbeanzeigen und Magazinen im Einsatz – jedoch nicht als Kunstform anerkannt. Der US-amerikanische Fotograf William Eggleston (*1939 in Memphis) war maßgeblich daran beteiligt, sie salonfähig zu machen. Neben den beiden Fotograf:innen Stephen Shore und Evelyn Hofer erkannte auch Eggleston schon früh in seiner über fünf Jahrzehnte dauernden Karriere die Kraft der Farbe. Er nutzt sie, um den banalen Alltäglichkeiten Intensität, Leuchtkraft und Unverwechselbarkeit zu geben. 

Ob eine bunt gekachelte Gebäudefassade, ein purpurroter Drink oder ein verwaschen blaues Auto – Mystery of the Ordinary zeigt, wie schön Farbfotografie sein kann. Und sorgt dafür, dass man sich in so mancher Szene für einen kurzen Moment verliert.


Bilder: William Eggleston, Untitled, c. 1965–1968; William Eggleston, Untitled, 1971–1974; William Eggleston, Untitled, c. 1971–1974; William Eggleston, Untitled, c. 1970-1973. Alle Bilder © Eggleston Artistic Trust. Courtesy Eggleston Artistic Trust and David Zwirner 

 

Ulysses Jenkins, Without Your Interpretation, bis 30.07.23
@ Julia Stoschek Foundation
Wie findet man eigentlich neue Antworten auf alte Fragen? Vielleicht ja gerade dadurch, dass man die Geschichte befragt. Diese Strategie verfolgt jedenfalls der Video- und Performancekünstler Ulysses Jenkins (*1946 in Los Angeles). Mithilfe von Archivaufnahmen, Fotografien, Bildbearbeitungsprozessen und Soundtracks hinterfragt Jenkins Race und Gender in Bezug auf Ritualität, Geschichtsschreibung und die Macht des Staates. Sein Werk gilt als ein wichtiger Einfluss auf die zeitgenössische Kunst der letzten fünfzig Jahre – obgleich dieser Einfluss auch heute noch immer oft übersehen wird. Dabei legen Jenkins Arbeiten wichtige Mechanismen offen, denen wir in unserer alltäglichen Wahrnehmung begegnen. Durch Videos, Peformances und Fotografien hinterfragt Jenkins, wie die Darstellung von marginalisierten Gruppen durch medial vermittelte Bilder, Sounds und (pop)kulturelle Bildsprachen beeinflusst wird.

Without Your Interpretation ist die erste Retrospektive des Schwarzen Künstlers – sie entstand in enger Zusammenarbeit mit ihm. Über 15 Videoarbeiten und insgesamt mehr als 60 Werke geben einen vielseitigen und historisch bedeutsamen Einblick in Jenkins Denken und Schaffen. Aus dieser Werkschau geht man in jeder Hinsicht reicher heraus.


Bilder: Ulysses Jenkins, Without Your Interpretation rehearsal documentation, 1984, Fotografie, Farbdruck, 8.9 × 12.7 cm; Televiews and Cable Radio, 1981, Video, 11’18“, Farbe, Ton, Videostill. Alle Bilder Courtesy der Künstler

 

Monica Bonvici, I do You, bis 30.04.23
@ Neue Nationalgalerie
Wie viel Raum gibt es für weibliche Kunst in einer von Mann geschaffenen Architektur? Monica Bonvicinis Antwort darauf: So viel, wie sie sich nehmen. Ihre ortsspezifischen Installationen im Bau von Mies van der Rohe verstehen sich als feminstische Aneignung von Räumlichkeiten, Platz und Fläche. Immer wieder konfrontieren Bonvicinis Arbeiten die Betrachtenden dabei mit sich selbst, etwa durch verspiegelte Oberflächen oder durch Skulpturen, die uns einladen, mit den Objekten zu interagieren. Außerdem zu entdecken: frühere und neuere Arbeit aus den Bereichen Licht-, Film- und Soundarbeiten, die Bonvicinis Widerwille, sich ausschließlich einem Medium zu widmen, facettenreich bezeugen. Feminismus und Architektur sowie die damit verbundene Infragestellung nach der Rolle der Institution, die eines von beiden (re-)präsentieren will, treffen konzeptuell aufeinander.

Die Neue Nationalgalerie zeigt in der umfassenden Einzelausstellung I do You das einflussreiche Werk der Künstlerin. Wer die geballte Ladung feministische Intention erleben und dabei wortwörtlich mit Bonvicinis Arbeiten in Berührungs kommen will, sollte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen. 


Bilder: Monica Bonvicini, Desire, 2006, Ausstellungsansicht Neue Nationalgalerie; Monica Bonvicini, Chainswing Belts, 2022, Ausstellungsansicht. Alle Bilder Courtesy der Künstlerin, Tanya Bonakdar Gallery, Galleria Raffaella Cortese, Galerie Peter Kilchmann, Galerie KrinzingerCopyright the artist, VG-Bild Kunst, Bonn, 2022 / Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Jens Ziehe

 

Female Photoclub Berlin, Look at me now, bis 25.03.23
@ Female Photoclub Berlin
Was sehen wir, wenn wir einen Moment innehalten und um uns schauen? Anlässlich des Europäischen Monats der Fotografie (EMoP) präsentieren 20 Fotografinnen des Berliner Female Photoclubs, wie diese Pausen vom hektischen Zeitgeschehen aussehen können. Sie werfen verschiedene Positionen auf die Gegenwart und haben dabei doch alle ein entscheidendes Element, das sie verbindet im Bild: die “Berührung”. Sei es beim intensiven Körperkontakt im Sport oder in der Unfähigkeit, Ereignisse und Umstände, die unser Leben geprägt haben, loszulassen – die Berührung ist ständig präsent. Betrachtet man die oft sehr persönlichen Arbeiten, erlebt man nicht nur, was es heißt, im Hier und Jetzt zu sein. Man erfährt auch die Vielfalt der in Berlin ansässigen Fotografinnen.

Die Ausstellung Look at Me Now setzt einen Kontrast zu einer Welt, die sich rasend schnell verändert und viel zu oft, berührungslos an uns vorbeizuziehen scheint. Wer sich traut, zu entschleunigen, kann darin neue Perspektiven entdecken und für sich mitnehmen.


Bilder: Delphine Millet, Plis et replis; Mimi Vollgraf, I am rooted but I flow; Cherie Birkner, Holding Hands With You. Alle Bilder Courtesy der Künstlerinnen

Read this article in English.

<a href="https://www.iheartberlin.de/de/author/paula/" target="_self">Paula</a>

Paula

Author