David Bowie in Berlin

David Bowies Zeit in Berlin ist zu einer kleinem Mythos geworden: 1976 zog der Thin White Duke  zusammen mit Iggy Pop in eine Wohnung in Schöneberg. In den folgenden Monaten nahm Bowie drei seiner wichtigsten Alben hier auf: die Berlin-Triologie, mit Liedern wie “Heroes” und “Boys keep swinging”. Aber Bowie hat in Berlin nicht nur Musik gemacht. Er hat auch die Kultur der Stadt förmlich in sich aufgesogen und sich zusammen mit Iggy Pop ins Berliner Nachtleben gestürzt. Was bedeutete: sehr viele Drogen aller Art und sehr viel Sex aller Art.

Tobas Rüther, Redakteur der “FAZ”, hat ein lesenswertes Buch über David Bowies Berlin-Periode geschrieben. Darin schildert er nicht nur all die Anekdoten und biographischen Geschehnisse, sondern er analysiert auch, in wieweit die Berliner Kultur Bowies Musik beeinflusst hat. Mehr dazu in einem Interview mit Tobias Rüther nach dem Klick.

David Bowie war Ende der 70er einer der größten Popstars überhaupt – und natürlich lebte er in L. A. Warum wollte er von dort wegziehen, und warum ging er ausgerechnet nach Berlin?

Bowie wollte unbedingt Amerika erobern, das war sein Plan, seit er mit dem Singen angefangen hat, und als er dort 1974 ungefähr ankam, war es erst auch triumphal für ihn, bombastische Tourneen, dann so eine Platte wie „Young Americans“, bei der man merkt, wie aufgedreht er von dieser neuen Welt war – aber irgendwann ist er wohl vor allem einsam geworden.

So hat er es danach jedenfalls in Interviews erklärt, er spricht von so einer Art Kunstheimweh nach Europa, das wohl nur noch schlimmer davon geworden ist, dass er deutsche Popmusik von damals gehört hat. Bowie und Iggy Pop sind mit dem Auto durch Los Angeles gefahren und haben Kraftwerk dabei gehört. Oder Neu! aus Düsseldorf, vielleicht die größte deutsche Rockband, die es je gab. Kraftwerk und Neu! hatten nichts mit angloamerikanischen Rock zu tun und waren sogar ausdrücklich dagegen, das scheint Bowie gereizt zu haben.

Und dann hat er, im Frühjahr 1976, vor einem seiner Konzerte den Schriftsteller Christopher Isherwood kennengelernt, den Autor von “Goodbye to Berlin”, der in den späten zwanziger Jahren in Berlin gelebt hatte und das in diesem Buch aufgeschrieben hat, woraus dann 1972 der Film “Cabaret” wurde. Bowie war total begeistert – da wollte er auch hin.

Der Umzug nach Berlin war also, glaube ich, so eine Mischung aus Nostalgie – wegen der zwanziger Jahre – und dem Wunsch, in der Gegenwart und vielleicht auch ein bisschen Zukunft zu leben, weil damals, das sagt nicht nur Bowie, die revolutionärste, innovativste und neueste Popmusik eben in der Bundesrepublik gemacht wurde. Und, das spielt auch eine große Rolle: Er war ziemlich fertig wegen der Drogen. Und wollte weg von ihnen.

Was ist Ihre Lieblingsanekdote über David Bowies Zeit in Berlin?

Gibt viele schöne Geschichten, zum Beispiel, wie er sich einmal im Hansa-Studio unter das Mischpult geschmissen hat, weil er Angst vor den Grenzposten der DDR hatte – das Studio lag ja damals direkt an der Mauer.

Oder dass er ständig ins Brücke-Museum gefahren ist, um sich expressionistische Malerei anzuschauen, das macht ihn mir irgendwie sympathisch: dass er so neugierig ist und lernen will und plötzlich keine Lust mehr hat auf die Art von Leben, wie er es vorher geführt hat, dieses Rockstarleben. Dass er irgendwie merkt, dass das ja wohl nicht alles gewesen sein kann – und jetzt ein “Künstler” sein will, Schnauzbart inklusive. Er beginnt ja auch selbst wieder zu malen.

Am lustigsten finde ich aber, dass er so oft Bus gefahren sein soll. Das sagt jedenfalls sein Toningeneur von damals, Eduard Meyer. Bowie und die Berliner Busfahrer: Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.

Wie hat Berlin David Bowie verändert?

Man muss sich eigentlich nur die Fotos davor und danach anschauen: Er ist vorher ein fadenscheiniges, dünnes, bleichen Figürchen, dem man sofort eine Teller Suppe geben will, man kriegt echt etwas Angst um ihn und vor ihm. Er redet auch verwirrt daher in den Interviews, von Ufos oder davon, dass England einen neuen Führer braucht, politisch halbgares Zeug, das er sich nicht zu Ende überlegt hat.

Und dann, in Berlin, kommt er wieder zu sich, er sieht plötzlich einfach gesund aus, entspannt, er hat wieder Farbe im Gesicht. Man sieht ihm einfach an, dass er sich wohl in seiner Haut fühlt. Es hat ihm vor allem gefallen, dass sich die Berliner nicht um ihn geschert haben, dass er durch die Straßen laufen konnte, ohne dass er angestarrt wurde. Und er sagt, so umgeben zu sein von der deutschen Geschichte, wie man das in Berlin auf Schritt und Tritt ist: Das habe ihn auch kuriert von diesen Führerphantasien.

Warum ist David Bowie nach so kurzer Zeit wieder weggezogen?

Das Experiment, im Studio mit Brian Eno Kunstmusik zu machen, war erfolgreich abgeschlossen – das war das eine. Und er hatte eine neue Aufgabe: Theater. Er spielt die Hauptrolle im Stück “Elefantenmensch”, dazu musste er nach Amerika.

Ich glaube, er hat in Berlin gefunden, was er suchte, Ruhe, Inspiration, neue Ideen, und dann ist er den nächsten neuen Ideen für seine Karriere hinterhergezogen.

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