Die Weltpremiere des Films Chasing Paper Birds wird am 17. September bei vielen ein Gefühl der Nostalgie auslösen. CPB ist ein Film, der durch und durch die Seele der 2010er Jahre in Berlin widerspiegelt. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem pulsierenden Friedrichshain und dessen Bewohnern.
Mariana Jukica, eine ehemalige Regisseurin von Musik- und Werbefilmen, hat es geschafft, das Lebensgefühl von damals bis ins kleinste Detail einzufangen. Sie weckt Erinnerungen an den gelebten Wahnsinn der Zeit vor dem banalen Berlin-Ballermann Tourismus.
Erzählt wird der Film aus drei Perspektiven. Mia, Keks und Ian, alle Ende zwanzig, Anfang dreißig befinden sich auf der Flucht vor der Realität und auf der Suche nach dem eigenen Glück.
Chasing Paper Birds katapultiert das Publikum in eine heiße, von Drogen und Alkohol getränkte Sommernacht mit den typischen Berliner Prototypen, bemüht um Fortuna, während ihre inneren Dämonen sie durch die Prüfungen des Lebens hetzen. Taumelnd, den Boden unter den Füßen verlierend, schwebend, dann wieder preschend – die Akteure reißen den Zuschauer mit in ein wildes Abenteuer. Der Film ist ein Werk, das die Berliner Szene mit all seinen Elementen wiederzugeben versteht.
Protagonisten sind auch die Spätis, die Clubs, die Hausdächer, der Glamour und Dreck, die Partys, der Sex, die Drogen und der Alkohol. Dazu die Musik, der Rausch, die Träume und Ängste, große Liebe und großes Drama. Durchtanzte Nächte, verschollene Tage, der Taumel des Mutes und die Starre der Furcht. Es geht um große Hoffnungen und noch größere Verlustängste.
Die kroatisch/ kanadische Filmemacherin hat in ihrem Debutfilm, der einer trunkenen Ekstase gleicht, das Lebensgefühl einer brodelnden Stadt fast dokumentarisch zum Ausdruck gebracht.
Mia, Keks und Ian sind Figuren, die auf den Zuschauer von Anfang an sehr vertraut wirken. Das liegt wohl daran, dass jeder diese Art von Menschen kennt.
Mia ist eine ehrgeizige französische Tänzerin. Verzweifelt sucht sie im Schatten der Großstadt nach Antworten und Sinnhaftigkeit im Leben. Ihr Traum vom großen Auftritt auf der Bühne und auch dem der große Liebe scheint endgültig für sie geplatzt zu sein.
Keks, die sich gerade einen Namen als DJ macht, flieht vor wichtigen Lebensentscheidungen und dem Schritt, erwachsen zu werden. Kopfüber stürzt sie sich in eine tobende Berliner Partynacht.
Und Ian, ein glamouröser Videoperformancekünstler, der den spektakulären Auftritt zelebriert, verzweifelt daran, dass er sich zum ersten Mal dazu hat hinreißen lassen, zu lieben. Er hat sein Herz verschenkt und wieder verloren. Für Ian als Mensch mit einem Hang zu großem Drama droht das in gefährlichen Gefühlswelten zu enden.
Die Feinheiten der Kameraführung, die Tonaufnahmen, die die typischen Berlin-Geräusche einfangen, der Soundtrack und die Musik, all das nimmt uns mit auf eine Jagd durch tranceähnliche Momente des Wahnsinns und des Glücks.
Gespiegelt wird die verlorene Generation des gerade vergangenen Jahrzehnts wie sie leibt und lebt. In den Hauptrollen niemand anderes als Vladimir Burlakov (Iron Sky), Henrike von Kuick (Am Himmel der Tag), Lucie Aron (Berlin Syndrom) und Florian Bartholomäi (Rubinrot).
Berlin war lange Zeit der Magnet für alle, die sich verloren hatten und wiederfinden wollten. Für die Außenseiter und Paradiesvögel. Für junge Menschen, die sich treiben ließen in einer Stadt, die Gift und Gegengift zugleich ist. Erwachsenwerden auf dem Spielplatz für Erwachsene.
Chasing Paper Birds ist ein Zeitdokument Berlins, aus einer Zeit, als die Hauptstadt noch ein Zuhause darstellte für Menschen, die nicht wussten, wo sie hingehörten. Ein Film, der eine legendäre Epoche in rasanten und mitreißenden Bildern konserviert hat.
Zu sehen beim Filmfestival Achtung Berlin, am 17. September 2020 22:00 (Kino Babylon) & am 18. September, 20:30 (City Kino Wedding). Kinostart ab demnächst unter www.chasingpaperbirds.com.
***
Text: Marie F. Trankovits
Marie F. Trankovits, 33 – quer durch die Welt gezogen bis Sie sich vor 6 Jahren in Berlin verliebt hat. Sie arbeitet momentan an Ihrer Schreibkarriere.