Die Berliner Modeszene und die lokale Fashion Week sind in den letzten Jahren durch einige grundlegende Änderungen gegangen. Was wir am meisten daran schätzen: Sie hat den alten Schleier der Vergangenheit abgelegt und präsentiert sich in einem neuen Gewand. Mit neuen Formaten wie “Berlin Contemporary” und “Studio2Retail” versammelte sich im Januar all das, wofür unsere Fashionherzen wie verrückt schlagen: Ausnahmetalente aus Berlin, deren Kreationen uns überraschen, fesseln, umhauen und zum Träumen anregen. Glaubt uns: Wir hatten mehr als einen Moment, in dem wir dachten: “Moment, was passiert da gerade? Und passiert das wirklich im guten alten Berlin?”
Besonders sechs Labels haben unserer Ansicht nach das Potenzial, wahre Game Changer zu sein, die nicht nur Berlin durch ihre Arbeit prägen, sondern die Stadt auch wieder in den Riegen der internationalen Fashionszene etablieren. Was uns an ihnen am meisten beeindruckt, ist ihr Mut, mit Konventionen zu brechen und Mode neu zu denken. Sie sagen Oberflächlichkeiten adé und zelebrieren Handwerk, Individualität, Nachhaltigkeit und Diversity. Und ein ebenso neues und frisches Publikum feierte sie während der Berlin Fashion Week. Wir haben das Gefühl, dass sich Berlin in eine neue Ära katapultiert hat und unsere Lieblingsstadt endlich wieder zeigt, warum sie mit den großen Modemetropolen dieser Welt locker mithalten kann.
Und das sind sie, die vielversprechendsten Labels aus Berlin:
Namilia
Rebellisch und provokant – so beschreibt sich das coole Berliner Modelabel Namilia selbst. Inspiriert von der Aufbruchstimmung der jungen Generationen, fangen die Designer Nan Li und Emilia Phohl den Zeitgeist ein, indem sie den gängigen Normen und Genderstereotypen mit utopisch anmutenden Kombinationen begegnen und uns zeigen, was alles möglich sein kann. Dabei ist das Label mit seinem Mix aus legerer Sportästhetik und extravaganter Clubwear längst keine unbekannte Größe mehr. Neben der internationalen Club- und Modeszene feiern Celebrities wie Rihanna, Cardi B und Billie Eilish das Berliner Label. Namilia ist laut und geht bewusst gegen den Mainstream an. Das Label ist für alle, die es satt haben, sich an gesellschaftlichen Erwartungen zu messen. Namilias Message: Sei du selbst und zwar in all deinen Facetten.
Photography by @maxvomhofe / @wearecollectiveinterest
Acceptance Letter Studio
Avantgarde neu erfinden – das nimmt sich der Designer Jakeyoung Sim mit seinem jungen Label Acceptance Letter vor. In seinen Kleidungsstücken und Accessoires finden wir ein einzigartiges Konzept, in dem sich Sinnlichkeit und Funktionalität nicht nur die Hand reichen, sondern sich ganz fest umarmen. Inklusion statt Exklusivität schreibt Jakeyoung Sim mit seinem Label ganz groß. In seiner aktuellen Kollektion, die auf “Hotel Infinity” basiert, treffen fließende Stoffe auf klare Schnitte, jede Menge Rüschen und die coole Retro-Ästhetik von Kollaborationspartner Arts of the Working Class. Acceptance Letter zeigt uns: Berlin hat viele Seiten und das ist auch gut so.
Photography by @callumleohughes
Haderlump
Öko, aber ästhetisch: In Anlehnung an die sogenannten Haderlumper des 18. und 19. Jahrhunderts, die als Reisende umherzogen und abgenutzte Stücke und Stoffreste sammelten, um sie an die Papierfabriken zu verkaufen, versteht sich das junge Fashionlabel Haderlump als Wertschätzer der kostbaren Stoffe – eine klare und zeitgemäße Gegenposition zu Massenkonsum und Fast Fashion. Dafür nutzt Haderlump Restbestände von Stoffen wie Jeans oder Leder und schenkt ihnen durch Upcycling-Prozesse nicht nur ein zweites Leben, sondern auch einen neuen Look. Johann Ehrhardt ist der kreative Kopf hinter dem jungen Label, das eine der beeindruckendsten Kollektionen auf dem Runway zeigte. Viel schwarz, de-constructed Looks und betörende Details zeichnen einen extrem stylischen Blick auf das, was die Welt noch für uns bereithält. Wenn also schon Weltuntergang, dann bitte in Haderlump.
Photography by @inesbahr_photography / @blurryxwine / @aslanphoto
Olivia Ballard
Ihr seid auf der Suche nach Kleidung, die sich an euch anpasst und euch so feiert, wie ihr nun einmal seid? Dann werdet ihr bei Olivia Ballard fündig, deren Show die wohl mit Abstand gehypteste war. Die Selfmade-Modedesignerin gründete erst vor zwei Jahren ihr gleichnamiges Label und zeigt, dass es Zeit wird für Mode, die jeden Zentimeter unserer diversen und vielfältigen Körper ideal in Szene setzt – und dass die Pieces bei jedem anders aussehen können. Wir finden: Die coole Designerin definiert die Harmonie zwischen Kleidung und Körper ganz neu und geht damit ganz große Schritte Richtung Zukunft.
Photography by @julientell
Dennis Chuene
Tragbare Kunst: Die handgefertigten Pieces von Dennis Chuene sollten ein eigenes Museum bekommen. In seinem Berliner Atelier zaubert der Designer nicht nur die schönsten Stickereien, sondern definiert auch Stitching (Nähen) vollkommen neu. Dazu arbeitet Dennis Chuene mit re- und upcycelten Materialien und Stoffen. Seine Mode erinnert auf die schönste Weise an die traditionelle Handarbeitskunst, ohne dabei auch nur im Entferntesten altmodisch zu wirken. Im Gegenteil: Starke Designs in Kombination mit nostalgischen Momenten sind genau das, was Berlins Straßen braucht.
Photography by @poshpunkposhpunkposhpunk
SF1OG
Neue Ideen im Alten finden: Das ist nicht nur ein Kernprinzip des Recyclings, sondern auch der Leitgedanke des von Rosa Marga Dahl 2019 gegründeten Labels SF1OG (was übrigens für Seitenflügel 1. Obergeschoss” steht). Die Mode von SF1OG bringt den Look von Construction Sides mit der simplen Ästhetik monochromer Farbwelten zusammen. Am faszinierendsten ist, dass man sich ein einzelnes Piece in einem Dutzend verschiedener Kombinationen vorstellen kann. Wenn man bedenkt, dass die Designerin besonderen Wert auf Nachhaltigkeit legt, ist diese unbegrenzte Funktionalität bestimmt kein Zufall. Das ist Mode nach unserem Geschmack.
Photography by @adam_siwek