Virtuelle Galerie NEW DAWN erforscht wie Kunst in Zukunft erlebt werden kann

Jedes Jahr, wenn die Temperatur sinkt und die Tage kürzer werden, werden Handschuhe immer wichtiger. Sogar auf meiner fünfminütigen Radtour zur Arbeit frieren meine Knöchel ein, trocknen und knacken ohne das Paar, das ich letztes Jahr auf einem Flohmarkt in Amsterdam abgeholt habe (weiches Wildleder und unausstehlicher Leopardenprint, weil ich nie eine Gelegenheit auslassen kann, so extra wie menschenmöglich zu sein). Handschuhe sind funktionell, schön und bieten eine weitere Schicht des Selbst. Sie umhüllen die menschliche Gestalt, sind aber nicht durch sie eingeschränkt; ich bin vielleicht kein Leopard, aber mit meinen Handschuhen sind es meine Hände.

Wenn das eisige Berliner Wetter euch nicht genug Handschuhwertschätzung bietet, gibt es ein anderes Mittel. NEW DAWN | Tools to Touch in Times Ahead, eine Virtual-Reality-Galerie, die den Handschuh als Mittelpunkt nutzt. Die multimediale Ausstellung zeigt 33 Künstler, die den Handschuh durch Fotografie, CGI, Animation, Grafikdesign, Tanz, Performance, Sounddesign und kuratorische Praktiken als “Mittel zur Ermöglichung ganzheitlicher Erfahrungen in einer diskursiven, materiellen und visuell spekulativen Zukunft” erkunden. Und um es zu erleben, muss man den Komfort des Bildschirms nicht verlassen.

 

  

  

 

Die Ausstellung spielt in einer potentiellen Zukunftsrealität im Jahr 2070, in der die künstliche Intelligenz es den Menschen ermöglicht hat, die gegenwärtigen Vorstellungen von Ästhetik, Wissenschaft und Technologie zu transzendieren. NEW DAWN stellt sich eine Zukunft vor, in der sich das Organische und das Synthetische treffen, um unser Verständnis nicht nur der menschlichen Umgebung, sondern auch des menschlichen Körpers zu rekonstruieren. Die virtuelle Galerie konzentriert sich auf den Handschuh und seine Fähigkeit, Performativität und Vorstellungskraft aufgrund seiner Position als “fremde Haut” zu fördern.

Die Galerie lässt sich am besten mit einer VR-Brille betrachten, kann aber auch leicht auf einem Computer oder Smartphone betrachtet werden, indem man die Tasten W, A, S und D zum Navigieren verwendet. Beim Betreten begibt sich der Betrachter in eine klare, helle Halle, die sich in einen gewölbten Raum öffnet, der ganz in strahlendem Weiß mit Umgebungsgeräuschen gehalten ist. Obwohl die Galerie selbst aussieht, als könnte sie sich im Inneren eines Raumschiffs befinden, ist an der Rückwand ein Fenster mit einem digital gerenderten Meer zu sehen, das den Betrachter in einer erdgebundenen Realität erdet.

 

 

Die Handschuhe selbst ahmen diese Kombination einer organischen und synthetischen virtuellen Realität nach. NEW DAWN zeigt Handschuhe, die wie menschliche Haut aussehen, Handschuhe, die aus Autoteilen gefertigt sein könnten, Handschuhe, die aus Kohlenstoff gewebt sein könnten, und Handschuhe, die wie Handschuhe aussehen. Einige Stücke sind statisch, während andere schwanken, da das Sounddesign sich steigert und verblasst, wenn sich der Betrachter auf sie konzentriert.

Obwohl der mittlere Raum der virtuellen Galerie wie ein konventioneller Raum für die Ausstellung von Kunst aussehen mag, stellen zwei Nebenräume die Vorstellungen von traditioneller Kuration in Frage. Wenn man versucht, nach links und rechts zu wandern, taucht man in eine immersive und doch virtuelle Galerieerfahrung ein.

 

  

Der Initiator Tobias Faisst führte auch kreativ Regie bei einer performativen Videoarbeit für die Ausstellung, die in einem der Seitenräume zu finden ist. Dieses Video zeigt eine Choreografie von Franka Marlene Foth und den Tänzern Camille Jackson, Yi Wei Tien, Christopher Saint Laurent und Lie Ning, der im September bei der Veranstaltung Checkout Sessions mit Soundboks von iHeartBerlin auftrat. Die Video-Regie und -Produktion wurde von acte TM durchgeführt.

NEW DAWN stellt die Definition einer Galerie in Frage und gibt einen Einblick in die Zukunft des Kunstkuratierens in unserer zunehmend digitalisierten Welt: ein Hybrid aus künstlich hergestellten, anthropomorphen und natürlichen Elementen.

 

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